Pushpak Ramayana Buch 6Zurück WeiterNews

Canto 130 - Die Königsweihe

Mit ehrfürchtig gefalteten Händen sprach alsdann Bharata zu seinem Bruder: "Dein Reich, oh König, ist nun dem rechten Herrn unbeschadet wiedergegeben. Dieser schwache Arm konnte mit viel Mühe und Schmerz kaum die schwere Forderung ertragen, und die große Bürde brach fast den im Tragen des Jochs ungeübten Nacken. Der königliche Schwan ist schneller als die Krähe. Das Roß ist flink, der Esel nicht. Auch können meine schwächlichen Füße nicht über den rauhen Weg geleitet werden, wo die deinen ausschreiten sollten. Gewähre nun, wonach alle deine Untergebenen verlangen, oh König: Beginne deine königliche Herrschaft. Laß unsere sehnsüchtigen Augen den seit alters her üblichen Weiheritus schauen und über des neuen Monarchen Haupt die Weihetropfen ausschütten." Dann schwieg er, und Rama beugte sein Haupt als Zeichen der Zustimmung. Er setzte sich nieder, und Diener stutzten mit Sorgfalt das Gewirr seines vernachlässigten Haares. Und nach einem Bad erstrahlte der Held wieder in all seiner prächtigen Kleidung. Auch Sita hüllte ihre Glieder mit Hilfe der Damen in glänzende Roben. Auf Befehl Shatrughnas näherte sich Sumantra, der Wagenlenker, und stellte im Hain den Wagen samt Rossen bereit, in den die juwelengeschmückten Gefährtinnen Sugrivas(1) und Ramas Königin einstiegen. Alle wollten gern Ayodhya sehen, und schnell rollte der Wagen dahin. So herrlich wie Indra, der Herr mit den tausend Augen, dessen Wagen von flinken Löwen durch die Himmel gezogen wird, fuhr Rama mit aller Pracht nach Hause, in Macht und Kraft von niemandem erreicht. Die Zügel wurden von Bharatas Hand gehalten. Über dem Kopf des makellosen Siegers spannte Shatrughna den schneeweißen Baldachin. Lakshmana fächerte mit allseits bereiter Hand die Stirn des Helden mit einem Chourie. Und Vibhishan teilte dicht an Lakshmanas Seite mit dem zweiten Chourie dessen Aufgabe. Sugriva ritt auf Satrunjay, einem Elefanten von riesiger Gestalt, und neuntausend mehr folgten ihm nach, welche die Anführer der Vanars trugen. Alle waren fröhlich in ihrer menschlichen Gestalt und trugen reiche Kleidung mit Juwelen und Gold.

So erreichte König Rama in hoheitlichem Status die Tore Ayodhyas unter glücklichem Jubel: "Er kommt! Er kommt!" und dem Klang von Muschelhörnern und Trommeln. Eine Schar Brahmanen mit Kühen führte die lange Prozession in feierlichem Schritt an. Fröhliche Mädchen streuten überall Korn und Gold mit großzügigen Händen aus. Und auf Türmen, Dächern und Säulenhallen wehten reihenweise prachtvolle Flaggen. Inmitten der jubelnden Menge, die sang und schrie, näherten sie sich dem Palast des Königs. Da sprach Raghus Sohn zu Bharata, dem Besten unter den pflichtgetreuen Untertanen: "Geh hinein zur Halle des Monarchen und bitte die hochbeseelten Vanars, mit dir zu gehen. Laß die Anführer die Witwen unseres Vaters grüßen, wie es sich gehört. Weise dem Vanar König das beste Gemach zu, welches mit Lapislazuli und Perlen geschmückt ist und einen angenehmen Garten mit Blumen und Schatten hat." Bharata beugte sein Haupt, nahm Sugriva bei der Hand und führte ihn in den Palast, wo unter Shatrughnas Obhut Liegen bereit standen, die mit Decken und Behängen reich und farbenfroh verziert waren und wo brennende Lampen ihren Glanz verbreiteten. Bharata sprach: "Ich bitte dich, Freund, sende deine schnellen Boten aus, um jedes heilige Zubehör heranzuschaffen, damit wir unseren König weihen können." Sugriva ergriff vier goldene Urnen, die das Wasser für den Ritus aufnehmen sollten, und bat die vier schnellsten Vanars davonzufliegen, und sie in jedem fernen Meer zu füllen. Da eilten die Vanar Boten nach Süden, Osten, Westen und Norden davon und begaben sich schnellstens zu den Ozeanen. Durch die Lüfte trugen sie ihre Schätze heim und brachten nebenher noch Wasser aus fünfhundert reinen Strömen für den König mit. Dann setzte Vasishta, der für sein hohes Alter verehrte Heilige, von vielen weisen Brahmanen umgeben König Rama und Sita auf einen juwelenbesetzten Thron. Der hochverehrte Jabali kam, Vijay und Kasyapas Sohn erschienen, und an Gautamas Seite stand Katyavan. Und der weise und gute Vamadeva schüttete mit seinen heiligen Händen die reinen und süßen Tropfen über Ramas Haupt aus. Auf Vasishtas Ruf hin näherten sich Priester, Frauen und Krieger, und alle benetzten mit den heiligen Tropfen ihren König, den Mittelpunkt eines frohen Kreises. Die Wächter der Welten und alle Kinder des Himmels tropften reine Säfte von Kräutern aus ihren Händen auf seine Stirn. Dann wurde seine Stirn mit glitzerndem Gold gekrönt, welches Manu selbst einst getragen hatte. Das alte Diadem seiner Väter blitzte mit seinen vielen Edelsteinen. Shatrughna half ihm gern und breitete über ihm den würdevollen Schatten aus. Der Giganten Monarch, den sein Arm gerettet hatte, fächelte die Chouries um seine Stirn. Der Gott des Windes übergab ihm eine goldene, mit Juwelen verzierte Kette. Mahendra überreichte eine herrliche Schnur der schönsten Perlen, den König zu schmücken. Und im Himmel ertönte lauter Jubel, schöne Nymphen tanzten und die Barden sangen.

An diesem gesegneten Tag kleideten sich die frohen Felder mit goldenem Korn neu ein. Die Bäume wußten um den zauberhaften Einfluß und beugten ihre Äste in lieblichsten Farben. Ramas Weihe verlieh allen Blumendüften neue Süße. Der Monarch, die Freude des Raghu Geschlechts, schenkte den Brahmanen große Mengen an Kühen und Pferden und ungezählten Reichtum an Kleidern, Perlen, Juwelen und Gold. Eine Kette aus Edelsteinen, deren Glanz die Herrlichkeit der Sonne überstrahlte, schlang er um den Hals seines Freundes Sugriva. Um Angad, Balis Sohn, zu schmücken, gab er ein Paar Armringe mit Diamanten und Lapislazuli. Eine Perlenschnur von einzigartiger Färbung, die wie das zarte Mondlicht leuchtete, mit Juwelen des schönsten Glanzes verziert, gab er seiner Königin, seinem Liebling. Sie empfing die Gabe aus seiner Hand, hob sie eine Weile an ihren Busen, dann zog sie die Kette wieder von ihrem Hals und warf einen Blick auf die Vanars. Dann wandte sie ihre scheuen Augen dem Rama zu, während sie immer noch den Schmuck festhielt. Er wußte um ihren Wunsch und antwortete der stummen Frage ihrer Augen: "Ja, Liebes. Übergib die Kette demjenigen, dessen Weisheit, Wahrhaftigkeit und Macht wir kennen. Dem standhaften Verbündeten und treuen Freund durch alle Mühe und Gefahr bis zum Schluß." Da hing die Kette aus Sitas Hand um Hanumans Brust. So umgürtet eine Wolke bei Windstille mit mondscheinhellem Silber einen Berg. Rama gab jedem Vanar (und Giganten) reiche Schätze aus Mine und Welle. Und hochzufrieden über die Ehren kehrten die Vanar (und Giganten) Anführer heim.

Von der Herrschaft Ramas gesegnet verbrachte Ayodhya zehntausend Jahre in Ruhe und Frieden. Keine Witwe klagte um ihren gemordeten Gemahl, kein Haus war je verlassen. Das frohe Land kannte keine Seuchen, und Viehherden wuchsen und gediehen. Die Erde bot ihre freundlichen Früchte an, keine Ernte verdarb und kein Kind starb. Unbekannt waren Gier, Krankheit und Verbrechen, so ruhig und glücklich war die Zeit.

(Es folgt eine lange Aufzählung der Segnungen, die allen widerfahren, welche das Ramayana lesen, hören oder rezitieren. Griffith gibt nur die kurze Fassung aus der Bengalischen Version in einer Fußnote:
Dies ist das erste, große Poem, gesegnet, glorreich und von Valmiki geschaffen, welches den Menschen langes Leben und den Königen Sieg bringt. Er, welcher der wunderbaren Geschichte Ramas mit seinen unermüdlichen Taten lauscht, soll aller seiner Sünden losgesprochen sein. Beim Lauschen der Taten Ramas soll der, der sich Söhne wünscht, seinen Herzenswunsch erfüllt bekommen. Und der, welcher sich nach Reichtum sehnt, soll ihn erhalten. Die Jungfrau, die sich einen Ehemann wünscht, soll einen ihrem Geist passenden Gatten erhalten und ihre liebe Familie wiedersehen, die weit entfernt ist. Ihm, der das Gedicht hört, welches Valmiki erschuf, sollen alle seine Wünsche erfüllt und alle seine Gebete erhört werden.)

(Hier endet die dichterische Übersetzung von Ralf Thomas Hotchkin Griffith.)



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(1) Das Einladen der Vanar Frauen auf dem Heimweg hatte Griffith nur nebenbei erwähnt.