Pushpak Ramayana Buch 6Zurück WeiterNews

Canto 74 - Die Heilkräuter

Die Schatten der einfallenden Nacht verhüllten das Gemetzel auf dem Schlachtfeld, welches Hanuman und Vibhishan abschritten, sich langsam und ängstlich zwischen den Toten und Sterbenden bewegend und jeder mit einer lodernden Fackel in der Hand. Traurig war die Szene des Blutbades, wo auch immer der Schein der Fackeln hinfiel. Hier lagen Berge von Vanar Körpern, deren Hände und Glieder abgetrennt waren. Arme und Finger lagen dort zerstreut auf der Erde, und lose Köpfe häuften sich dicht an dicht. Die Erde triefte von blutroten Strömen, und überall erklangen Seufzer, Stöhnen und Schreie. Da lag Sugriva, kalt und still, dort Angad, der einst so Kühne und Tapfere. Hier ruhte Jambavans Macht, und Vegadars Augen hatten sich geschlossen. Im Staube war Nalas Stolz, und Dwivid lag an Maindas Seite. Wohin sie auf dem blutroten Felde auch schauten, es war gefüllt mit Myriaden von Toten. Sie suchten mit eifrigen Augen den höchst weisen König Jambavan. Seine Stärke litt unter langsamem Verfall, und er lag von zahllosen Pfeilen durchbohrt. Als sie ihn fanden, eilten sie an seine Seite, und der weise Vibhishan sprach: "Wir suchen dich, Monarchen der Bären. Sprich, wenn du noch am Leben bist, sprich." Langsam kam die Antwort des alten Anführers, kaum konnte er mit vielen Seufzern sprechen: "Von vielerlei Pfeilen getroffen, die jedes Glied durchbohren, ist meine Stärke vergangen, die Sicht trüb, und ich kann kaum meine Augen erheben. Doch ich erkenne deine Stimme, oh Anführer. Und so lange meine Ohren noch hören können, sag, hat Hanuman den Tag überlebt?" Vibhishan rief: "Warum fragst du nach einem mit niederem Rang, dem Sohn des Windgottes? Hast du den Ersten von uns allen vergessen, den prinzlichen Anführer des Raghu Geschlechts? Kann König Sugriva keine Sorge fordern oder Angad, sein Thronerbe?"

"Ja, lieber als meine edelsten Freunde ist der, von dem unsere Hoffnungen abhängen. Denn, wenn der Sohn des Windgottes überlebt hat, sind wir beides - tot und am Leben. Doch wenn sein kostbares Leben vergangen ist, dann sind alle Lebenden schon tot. Er ist unsere Hoffnung und sichere Erlösung." So sprach langsam der alte Held. Da kam Hanuman an seine Seite und nannte mit tiefer Verehrung seinen Namen. Von dem Gesicht erfreut, welches er sich sehnte zu schauen, kam neues Leben in den verwundeten Krieger. "Geh schnell," rief er, "geh fort, oh du Starker und Mutiger, und rette die Vanars in ihrer Not. Keine Macht außer der deinen, du höchst Großer, kann uns in unserem verlorenen Zustand helfen. Beruhige die zitternden Bären und Affen, besänftige ihre Herzen und vertreibe ihre Angst. Rette Raghus edle Söhne, und heile die tiefen Wunden des beflügelten Stahls. Spring über die Wasser des Meeres bis zu den fernen Gipfeln des Himalaya. Dort erblickst du Kailash und Rishab mit Spitzen aus Gold. Sieh zwischen ihnen einen Berg sich erheben, dessen Glanz deine Augen bezaubern wird. Seine Flanken sind über und über bedeckt mit allen seltenen Kräutern, die wachsen. Auf dem hohen Rücken des Berges wachsen vier Pflanzen aus dem Boden, die über außerordentliche Kräfte verfügen und blitzend ihren Glanz über die benachbarten Lüfte aussenden. Eine zieht den Schaft heraus, eine bringt den Atem des Lebens zurück und erwärmt die Toten, eine heilt jede Wunde, und eine gibt bleichen Wangen die gewohnte Farbe wieder. Flieg, Anführer, zu diesem Berg und bring die Kräuter, um uns zu retten."

Hanuman hörte und sprang durch die Luft wie Vishnus fliegender Diskus. Die See ließ er hinter sich, unter ihm lagen die Berge mit bunten hellbeschwingten Vögeln angefüllt, und Bach und Teich und einsame Klamm, auch fruchtbares Land mit arbeitenden Menschen. Weiter, weiter eilte er, und vor ihm erhob sich die Heimstatt des ewigen Schnees. Da ragten die herrlichen Gipfel so schön wie weiße Wolken in der Sommerluft auf. Und aus belaubten Schatten brach so mancher wild tosender Wasserfall. Er schaute auf viele reine Zufluchtsorte, welche den Göttern und Weisen lieb waren: der Ort, an dem Brahma sich abseits hielt, der Ort, an dem Rudra seinen Wurfpfeil losließ, Vishnus hoher Sitz und Indras Heim und die Hänge, an denen Yamas Diener wanderten. Dort war Kuveras strahlende Wohnstatt und hier glühte Brahmas mystische Waffe. Und dann erschien der edle Berg, auf dem die Kräuter mit wunderbarem Glanze strahlten. Von dem herrlichen Anblick hingerissen, lehnte sich Hanuman an die Höhe. Dann, sich den glitzernden Berg hinab bewegend, begann er die heilenden Kräuter zu suchen. Doch wenn er daran dachte, den Preis zu ergreifen, versteckten sie sich vor seinen eifrigen Augen. Da sprach er zornig zu dem Berg: "Wenn du heute kein Mitgefühl mit der großen Not von Raghus Sohn zeigst, soll mein Arm Rache nehmen." Er verstummte, beugte seine mächtigen Arme und riß vom zitternden Berg den riesigen Kopf mit allem Leben, welches er trug: Schlangen, Elefanten und goldenes Erz. Über Berge, Ebenen und weite Wasser führte ihn sein schneller Weg zurück. Und inmitten der verwunderten Vanars legte er seine durch die Luft getragene Bürde ab. Der herrliche Duft der wunderbaren Kräuter lieh allen im Heer neue Energie. Von allen Pfeilen, Wunden und Schmerzen befreit, lebten die Söhne des Raghu wieder auf. Und die toten und sterbenden Vanars erhoben sich geheilt und kraftvoll vom Schlachtfeld.

(aus der Übersetzung von M.N.Dutt:
Als die Söhne des Königs der Menschen den Duft der mächtigen Medizin eingeatmet hatten, waren sie sofort geheilt. Und auch die heldenhaften Affen setzten sich auf. All diese heroischen Affen waren im Nu geheilt. Und auch jene, welche in der Schlacht gefallen waren, setzten sich durch den Duft dieser Besten der Drogen auf, wie Wesen nach dem Schlaf am Anfang des Tages. Denn seit Affen und Rakshasas mit dem Kämpfen begonnen hatten, waren alle von den mächtigen Affen getöteten Rakshasas um der Ehre willen ins Meer geworfen worden. Dann trug der schnelle Abkömmling des Trägers der Düfte (Hanuman) den heilkräftigen Berg in den Himalaya zurück und kehrte wieder heim an die Seite von Rama.)



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