Pushpak Ramayana Buch 6Zurück WeiterNews

Canto 48 - Sitas Klage

"Falsch sind sie alle, haben sich alle heute als falsch erwiesen, die Propheten meiner Zukunft. Sie haben mir in den sorgenfreien Zeiten von einst ein gesegnetes Leben vorausgesagt. Sie sahen voraus, daß ich niemals den Kummer einer Witwe oder kinderlosen Dame erfahren würde. Falsch sind sie alle und ihre Worte vergebens, denn du, mein Herr und Leben, bist tot. Falsch war der Priester und seine alte Kunst vergebens, welche mich in jenen vergangenen Tagen segnete, damit ich an Ramas Seite in Glückseligkeit regieren würde. Denn du, mein Herr und Leben, bist tot. Sie priesen mich glücklich von Geburt an als die stolze Herrscherin des Herrn der Erde. Sie segneten mich, doch der Gedanke daran ist Schmerz, denn du, mein Herr und Leben, bist tot. Weh, fruchtlose Hoffnung! Jedes glorreiche Zeichen, welches die zukünftige Königin anzeigt, ist mein, und kein einziges schlechtes Omen kündete von der zerstörerischen Stunde des elenden Witwendaseins. Sie sagen, mein Haar ist schwarz und fein. Sie loben die ununterbrochenen Linien meiner Augenbrauen, meine wohlgeformten und geraden Zähne und meinen Busen für seine anmutige Wölbung. Sie preisen häufig meine Füße und Finger und sagen, meine Haut sei weich und sanft. Sie nennen mich glücklich, weil ich die zwölf schönen Zeichen besitze, welche Erfolg bringen. Doch ach, welchen Nutzen soll ich mir gewinnen? Denn du, mein Herr und Leben, bist tot. Der schmeichlerische Seher lobte einst mein zartes, mädchenhaftes Lächeln und schwor, daß von Brahma über meinem Haupt das heilige Wasser ausgeschüttet worden sei, das mich zur Königin, zur Braut eines Monarchen machen würde. Wie wird nun das Versprechen wahr? Ohne Ebenbürtigen an Macht schlugen die Brüder die Gigantenbande in Janasthan. Sie zwangen die unbezähmbare See, sie passieren zu lassen, um mich zu retten. Sie hatten die furchtbare Waffe, die einst von ihm gewirbelt wurde, der die Wasserwelt regiert (Varuna). Sie hatten die schrecklichen Pfeile, die einst Indra abschoß, und das mystische Brahma Haupt(1).Vergebens fochten sie so tapfer und mutig. Eines Feiglings Hand gab ihnen die tödlichen Wunden. Durch heimliche Pfeile und magischen Zauber fielen die Brüder, diese Ebenbürtigen von Indra. Der Feind, wenn ihn Ramas Auge nur einen Moment hätte sehen können, hätte nicht mal überlebt, um zu fliehen. Und wenn er so schnell wie der Gedanke wäre, seine größte Geschwindigkeit wäre umsonst gewesen in der Stunde der Not. Keine Macht, keine Träne und kein Gebet können den dunklen, unvermeidlichen Tag des Schicksals aufhalten. Auch ihre unvergleichliche Tapferkeit konnte die Helden auf dem Schlachtfeld nicht abschirmen. Ich leide um die edlen Toten. Ich klage um all die für immer geflohenen Hoffnungen. Doch am meisten fließen meine weinenden Augen über wegen des hoffnungslosen Elends von Königin Kausalya. Die verwitwete Königin zählt schon jede Stunde, die Ramas Gelübde vorschreibt. Sie lebt nur noch, weil sie sich danach sehnt, noch einmal ihren prinzlichen Sohn und mich zu sehen."

Obwohl sie als Rakshasi geboren ward, stillte da Trijata (eine von Sitas Wächterinnen) mit milder Art ihren Kummer: "Liebe Königin, zerstreue deine grundlose Not. Dein Ehemann lebt und alles ist gut. Sieh dich um, in jedem Vanar Gesicht finde ich das Licht freudiger Hoffnung. So glänzen nicht die Augen von Kriegern, wenn ihr Führer stirbt, glaube mir. Eine Armee flieht mutlos vom Schlachtfeld, wenn der Anführer tot ist. Doch hier stehen die Vanars bei den Brüdern fest und in ungestörter Aufstellung. Liebe läßt mich so zu dir reden. Weine nicht länger, überdenke meine Rede und glaube mir. Diese meine Lippen haben von frühester Jugend an die Wahrheit gesprochen und werden es weiter tun. Deine sanfte Anmut und geduldige Tugend haben tief in meinem Herzen ihren Platz gefunden. Wende dein Auge noch einmal um, Dame, auch wenn die Helden von Pfeilen durchbohrt darniederliegen. Auf den mit Blutstropfen benetzten Wangen und der Stirn scheint noch das Licht der Schönheit. Solche Schönheit wird niemals im Tod gefunden, denn sie vergeht mit dem stillstehenden Atem. Oh, vertraue der Hoffnung, welche diese Zeichen geben. Die Helden sind nicht tot, sie leben."

Da faltete Sita ihre Hände und seufzte: "Oh, mögen deine Worte wahr werden." Der Wagen ward gewendet und brachte so schnell wie ein Gedanke die klagende Königin nach Lanka zurück. Sie führten sie in den Garten, wo sie sich erneut der Verzweiflung ergab und um die Anführer weinte, welche blutend und neben den Toten an dem kalten Busen der Erde lagen.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter

(1) dem Rama von Vishvamitra übergebene Waffe