Pushpak Ramayana Buch 6Zurück WeiterNews

Canto 22 - Die Armee überquert den Ozean

Mit verärgerter Drohung sprach Rama, der Beste der Söhne Raghus, zum Ozean: "Ich werde mit furchtbaren Fluten an niederprasselnden Pfeilen deine Kanäle austrocknen und bloßlegen und mit der Vanar Armee zu Fuß die ferne Küste erreichen. Du wirst die Wesen der tanzenden Wellen nicht vor Zerstörung bewahren, und im Verfall der Zeit wird sich niemals die Erinnerung an deine gräßliche Schande auslöschen." So sprach der Krieger und bereitete den tödlichen Pfeil vor, welcher niemals verschonte; die mystische Waffe, bekannt unter dem Namen Brahma und rot vor unstillbarer Flamme. Große Angst verbreitete sich im Himmel droben und auf der Erde hier unten, als er den Bogen spannte. Durch widerhallende Himmel dröhnte der Donner und bröckelnde Berge schwankten und taumelten. Über die Erde legte sich plötzlich schwarze Nacht, und der Himmel war nicht mehr zu sehen. Hier und da schoß das grelle Leuchten von Meteoren durch die finstere Luft, und rote Blitze schlugen mit heftigem und fürchterlichem Krachen in den zitternden Boden ein. Der ungestüme Wind blies in wilden Böen und zermalmte hohe Bäume. Wie unter dem Schlag eines Giganten brach er gewaltige Mengen von den Felsen. Ein langer und schriller Schrei der Angst hallte aus jedem Tal, jeder Ebene und jedem Hügel. Die zerstörten Lichtungen und gequälten Gipfel antworteten mit Geheul und Geschrei.

Während der Sohn des Raghu unerschrocken starrte, erhoben sich die Wasser der Tiefe. Sich immer weiter hebend rollten die heftigen Wogen an den Strand. Doch Rama starrte weiter auf die Flut und hielt seinen Posten ohne Furcht. Da erschien die aufgerichtete Gestalt des majestätischen Ozeans aus der kochenden Flut, als ob der Herr des Lichts sich von seiner östlichen Höhe erhebt und in den Himmel springt. Als Begleiter ihres Monarchen erschienen Seeschlangen mit glühenden Augen. Wie Lapislazuli inmitten von strahlendem Gold war seine Gestalt ganz wunderbar anzusehen. Um seinen Hals war eine Kette gewunden, die vor lauter kostbaren Steinen nur so funkelte. Friedlich strahlten seine Lotusaugen unter den Blüten seines himmlischen Kranzes, und viele Perlen und seegeborene Juwelen blitzten im Diadem des Monarchen. Da waren Ganga, die Königin unter den Flüssen, und Sindhu (Indus) neben ihrem Herrn zu sehen, und alle aus alten Geschichten berühmten Ströme und Bäche umgaben ihn. Dann, als die Wasser sich hoben und senkten, hob der König seine demütigen Hände, beugte sein anmutiges Haupt vor Rama und sprach verehrend zu ihm: "Luft, Äther, Feuer, Erde und Wasser folgen ihrem natürlichen Lauf, und ich muß, wie es alter Brauch befiehlt, undurchschreitbar bleiben. Doch höre meinen Rat, Raghus Sohn: Ich werde niemals für Begierde, Hoffnung oder Furcht meine Wellen auftürmen und einen Pfad durch die Tiefe gestatten. Trotzdem soll meine Sorge für dich eine leichte Passage über die Fluten liefern, und wie die gepflasterte Straße einer Stadt soll der Weg unter deinen Füßen sein." Dann schwieg er.

Und Rama sprach: "Dieser Zauber darf niemals umsonst angerufen werden. Wo soll der magische Schaft niedergehen, um die Macht seines Zornes zu verbrauchen?" Der Ozean rief: "Schieß deinen Pfeil mit aller Wut gen Norden, wo das heilige Drumakuly liegt, dessen Anmut mit deiner Pracht wetteifert. Dort leben die wilden Abhiras, so gemein an Taten wie widerlich an Gesicht. Es sind gräßliche Dasyhus (Barbaren, Ausgestoßene), die sich am Bösen erfreuen und meine Flüsse trinken. Meine Seele mag nicht länger ihre Nachbarschaft ertragen und ihre unreine Berührung. Ziele auf jene, oh Sohn des Raghu, mit deinem Pfeil der unstillbaren Flamme." Schnell flog der schreckliche Pfeil vom Bogen, als Rama die Sehne dehnte. Die Erde stöhnte, als sie die Wunde fühlte, und sandte eilig Wasser durch den Riß. Seither ist die Quelle Vrana (=Wunde) für alle Zeiten berühmt, wo der Pfeil einschlug. Auch jeden Bach und Teich in der Gegend trocknete Rama aus. Und doch gewährte er einen Wunsch, um die Wildnis zu segnen und fruchtbar zu machen: Keine einfallende Krankheit soll die Luft verpesten, und Schafe und Kühe sollen wohl gedeihen. Die Erde soll jede angenehme Wurzel hervorbringen, und stattliche Bäume sollen sich unter den Früchten beugen. Öl, Milch und Honig sollen im Überfluß fließen und duftende Kräuter den Boden bedecken.

Dann sprach der König der Flüsse und Seen zu Raghus Sohn in Worten wie diesen: "Nun, laß die wunderbare Aufgabe von Nala, Visvakarmas Sohn, ausführen. Er, der als Vanar geboren ward, erbte durch die Gunst seines Vaters einen Teil seiner himmlischen Kunst. Ruf Nala, damit er seinen Anteil leiste und göttlich belehrt und geübt eine Brücke über die See errichte." Sprachs und verschwand.

Nala, der Beste der Vanar Anführer, sprach zum König: "Ich werde über der tiefen See, in der sich Monster tummeln, eine Brücke bauen, oh Rama. Denn als Teilhaber an der Fertigkeit meines Vaters sind Macht und Wille mein. Es ist vergebens, mit sanfter Kunst ein unbewegliches Herz zu gewinnen oder zu beschwichtigen. Umsonst verschwendet man an jene sein Mitgefühl. Es führt zu nichts als Leiden. Durch Furcht allein wird der Ozean nun eine Passage über seine Wellen erlauben. Meine Mutter, bevor sie ihren Sohn gebar, gewann diese Gunst von Visvakarma: 'Oh Mandari, dein Kind wird in Geschicklichkeit und Ruhm mir gleichen.' Doch warum sollte ich ungebeten deine Ohren mit Lob über meine Fähigkeiten füllen? Befiehl den Vanar Heeren heute noch, ein Fundament für die Brücke zu legen." So sprach er, und schnell sprangen die Vanars auf Ramas Befehl hin auf, beendeten ihre Ruhe und befolgten den Auftrag des Königs. Sie suchten die Waldesschatten auf, warfen entwurzelte Bäume zu Boden und zogen das Holz zum Ozean. Die stattliche Palme ward gebogen und gekrümmt und Asokas aus dem Boden gerissen, ganz wie turmhohe Sals und leichter Bambus. Bäume mit Blüten in verschiedenen Farben und mit lieblichsten Kletterpflanzen umgarnt und gekrönt zitterten, schwankten und fielen zur Erde, wo mächtige Steinhaufen und flache Hügel überworfen wurden. Ungebändigte Wasser schossen in die Höhe, und Regen fiel vom Himmel. Der Ozean wogte heftig mit Gebrüll, während die Berge fielen. So wurde die große Brücke von wunderbarer Stärke gebaut, dreihundert Meilen lang. Felsen so riesig wie Herbstwolken wurden vom Strand geworfen und mit Seilen festgebunden, auch Teile von all den gespaltenen Bergen und Bäume, die immer noch mit Blüten geschmückt waren. Wild war der Tumult und laut das Getöse, wenn massige Felsen zusammendonnerten. Bevor die Sonne unterging wuchs die Brücke um dreißig und vier Meilen an, so mühte sich jede Truppe. Die Anstrengungen des zweiten Tages brachten sechzig Meilen mehr an fertigem Weg. Und am fünften Tag, als die Sonne sank, da war die ganze phantastische Arbeit getan. Die Vanars eilten über den breiten Weg und brachten ihn mit ihren zahllosen Tritten nicht zum Schwanken.

Frohlockend stand Vibhishan am Ufer des Meeres mit der Keule in der Hand, drängte eifrig weiter und ärgerte sich ungeduldig über jede Verzögerung. Da sprach Sugriva, der in der Schlacht erfahrene und geübte König, zu Rama: "Komm, steige auf Hanumans breiten Rücken und laß Angad dem Lakshmana helfen. Die beiden sollen ihre Bürde hoch über der See durch die Wege der Luft tragen." So führte Ikshvakus Sohn mit Sugriva allen vorangetragen die Legionen an. Dahinter folgten die Vanar Heere in endloser Marschreihe. Manche überflogen die Oberfläche der Wellen, manche nahmen ihren Weg durch die höheren Lüfte. In ihrem unaufhörlichen Gebrüll ging die furchtbare Stimme des Ozeans unter, als sie über die von Nala geplante Brücke an Lankas Strand hasteten. Dort, inmitten von früchtebeladenen Bäumen und bei angenehmen Bächen, ruhten sie sich aus.



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