Pushpak Ramayana Buch 6Zurück WeiterNews

Canto 21 - Der Ozean wird bedroht

Rama erhob seine Hände zur Verehrung und starrte gen Süden über den Ozean. Dann legte er seine Glieder auf das heilige Gras, welches sein niedriges Lager war. Seinen Kopf legte er auf den starken Arm, auf den sich Sita, die Beste der Frauen, in glücklicheren Tagen gerne mit ihren weichen, perlen- und goldbedeckten Armen stützte. Noch einmal richtete er sich von seinem Bett aus Gras auf und rief: "An diesem Tag soll das Heer im Triumph zum südlichen Ufer übersetzen, oder der Ozean selbst soll nicht mehr sein." So schwor er in seiner beharrlichen Brust, und wandte sich wieder seiner Ruhe zu. Er schloß seine Augen im Schlummer und ruhte schweigend neben der See. Dreimal erhob sich der Gott des Tages und dreimal ging er wieder unter, doch der Herr des Ozeans erschien nicht. Dreimal kam die Nacht, und Raghus Sohn hatte noch keine Antwort auf seinen Dienst erhalten. Da rief der Held zu Lakshmana mit entflammten Augen voller Zorn und Stolz: "Vergebens bietet man die sanfteren Gaben, welche die Guten zieren, den Niederen an. Langes Leiden, Geduld und milde Rede können deren undankbares Herz niemals erreichen. Die Welt zollt wohl ihm alle Ehre, dessen wohlfeile Zunge sich selbst loben kann, der die Wahrheit ablehnt, das Rechte haßt, und dessen Hand immer erhoben ist zum Schlag. Jede freundliche Kunst ward umsonst versucht: Man gewinnt keinen Ruhm, nur Geringschätzung. Und dem Sieg ist kein weicherer Zauber inne als der Macht, die den Arm des Kriegers stärkt. Meine demütige Bitte wird immer noch vom anmaßenden Stolz des Ozeans verweigert. Darum sollen sich heute die Monster der Tiefe heftig in Todesschmerzen winden. Meine Pfeile sollen die zusammengerollten Schlangen in ihren Höhlen der Wasserwelt zerreißen, jede sonnenlose Tiefe aufwühlen und die durcheinander gewirbelten Perlen und Korallen entblößen. Kein Erbarmen mehr mit dem Ozean! Zu einer Zeit wie dieser ist Mitleid unangebracht! Auf zur Schlacht, gegen den Feind! Meinen Bogen, meine Pfeile, meinen Bogen! Heute noch sollen die Füße der Vanars über das ausgetrocknete Bett des besiegten Ozeans schreiten. Und er, welcher niemals zuvor Furcht fühlte, soll bis zu seinem entferntesten Strand erzittern."

Rot blitzen seine zornig glühenden Augen. Er stand und ergriff seinen Bogen, so schrecklich wie das Feuer des Schicksals, dessen unstillbare Flammen die Welt verschlingen. Der Bogenschütze spannte seine klirrende Sehne und schnell flog ein furchtbarer Pfeil davon, so heftig wie die flammenden Blitze, welche jener sendet, der das Firmament regiert. Hinunter in die wirbelnden Wasser flog das Geschoß mit seinem Flammenkopf. Die schäumenden Wogen hoben sich und sanken und warfen gewaltige Meeresungeheuer mit Krach und Gebrüll eines Unwetters gegen den zitternden Strand. Und immer weiter stiegen und fielen die wilden Wasser mit weißem Schaum, Perlen und Muscheln gekrönt. Jede Schlange schreckte verstört aus dem Schlaf und erhob ihre scharfen Augen und die glühenden Hauben. Selbst die gefangenen Danavas (Unholde, Götterfeinde), die in den Tiefen drunten lebten, fühlten den Terror. Erneut legte er einen flammenden Pfeilschaft auf seine Sehne, doch Lakshmana hielt seinen Arm fest und suchte mit sanfter Vernunft seine zornige Laune zu besänftigen: "Bruder, denk nach. Die Weisen kontrollieren die aufkommenden Leidenschaften der Seele. Laß den Ozean dir deinen Herzenswunsch gewähren ohne jegliche Drohung. Der barmherzige Herr wird niemals ablehnen, wenn Rama, der Sohn des Raghu bittet." Er schwieg, und es erklangen Stimmen aus der Luft, laut und klar, die riefen: "Verschone, Rama, verschone."



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