Pushpak Ramayana Buch 6Zurück WeiterNews

Canto 17 - Vibhishans Flug

Sobald die bitteren Worte ausgesprochen waren, floh Vibhishan zum Sohn des Raghu(1). Die Vanar Anführer erhoben ihre Augen und starrten den heranschwebenden Rakshasa an, so hell wie der Blitz und so groß wie der Gipfel des Berges Meru, der den Himmel spaltet. In prachtvoller Ausstattung zeigte er sich wie Indra selbst, und die vier tapferen und unerschrockenen Diener strahlten an der Seite ihres Herrn in Rüstzeug und Gold. Auch Sugriva ließ seine verwunderten Augen in dunkler Vermutung über die Gestalten schweifen und bekannte in hastigen Worten die ängstlichen Zweifel, welche seine Brust bewegten: "Schaut, schaut, ihr Vanars und habt acht. Der Anführer der Giganten, so großartig in der Luft, kommt mit vier anderen in glänzender Aufmachung und bewaffnet, um zu siegen und zu töten." Sobald die Vanar Anführer seine warnende Rede gehört hatten, ergriffen sie unerschrocken Felsstücke und Bäume und antworteten wie folgt: "Wir erwarten dein Wort, gib den Befehl, und dieser Feind soll aufhören zu leben. Kommandiere uns, mächtiger König, und alle sollen leblos zu Boden gehen."

Mittlerweile stand Vibhishan mit seinen vier Begleitern hoch über dem Meeresstrand. Er erspähte Sugriva und die Anführer, erhob seine mächtige Stimme und rief: "Ich fliehe vor Ravana, dem Herrn der Giganten. Ich bin sein Bruder Vibhishan. Er stahl von Janasthan das von seiner Kunst betrogene Kind des Janak. In seinem Palast eingeschlossen und verbarrikadiert umgibt er sie mit einer Rakshasa Wache. Ich bat ihn und flehte mit verschiedensten Künsten, die glücklose Gefangene zurückzugeben. Doch er, vom Schicksal in den Ruin gesandt, schenkte meinem Rat keinen Glauben. Er ist von Sinnen wie der fiebrige arme Kerl, der den Balsam sieht und die Heilung verschmäht. Er verachtete den weisen Rat, den ich gab, und stieß mich von sich wie einen niedrig geborenen Sklaven. Ich verließ meine Kinder und meine Gattin und fliehe nun zu Raghus Sohn um mein Leben. Ich bitte euch, ihr Vanar Anführer, eilt zu dem, der in der Stunde der Not rettet, und berichtet ihm, der in fernen Landen berühmt ist, daß der demütig bittende Vibhishan hier steht."

Der Rakshasa verstummte. Sugriva eilte zum edlen Sohn des Raghu und rief: "Über die See hat ein Fremder aus der Gigantenarmee die Küste erreicht, ein geheimer Spion, und er kommt, um zu töten, wie Eulen ihre achtlose Beute attackieren. Es ist an dir, oh König, in der Stunde der Not zu beobachten, zu raten, zu führen und unsere Vanar Legionen aufzustellen. Beschütze uns vor dem listigen Feind. Es ist Vibhishan von der Insel der Giganten, Ravanas Bruder. Er kommt mit List und sucht bei dir Zuflucht. Dabei täuscht er vor, vor seinem König zu fliehen. Erhebe dich, oh Rama, und verhindere durch mutigen Angriff die dunkle Absicht von ihm, der in freundlicher Verkleidung kommt und doch vorhat, dich durch seine Künste zu umgarnen und zu töten." So drängte der in den Künsten der bewegenden Worte berühmte Sugriva und verstummte. Da sprach Rama zum kühnen Hanuman und dem Rest: "Anführer der Vanar Legionen, ein jeder von euch hat die Worte Sugrivas gehört. Was denkt ihr nun in ängstlicher Stunde, wenn Gefahr und Not greifbar nahe sind? Bei jedem Zweifel hängen die Weisen von den Ratschlägen treuer Freunde ab."

Sie hörten seine wohlwollenden Worte und sprachen ehrfürchtig zum Herrn der Menschen: "Oh Raghus Sohn, du weißt sehr wohl um alle Dinge im Himmel, auf Erden und in der Hölle. Nur deine Freundschaft bittet uns zu sprechen, denn Rama benötigt keinen Rat, so pflichtbewußt, tapfer und wahrhaft bist du, so heroisch und deinen Gelübden treu. Du bist tief gelehrt in den Schriften, geübt und erfahren, und dennoch vertraust du auf deine Freunde. Laß jeden von uns abwechselnd den geheimen Rat seines Herzens mitteilen und versuchen, seines Herrn Zustimmung zu gewinnen durch die Kraft der weisesten Argumente."

Sie verstummten und Angad begann: "Untersuche mit eifersüchtigem Auge den Fremden. Empfange Vibhishan noch nicht mit treuem Herzen, noch glaube seine Geschichte. Diese Giganten wandern weit und überall. Ihre böse Natur tückischerweise versteckend beobachten sie uns arglistig und greifen an, wenn wir nichts Böses ahnen. Überlege wohl jede Hoffnung und Furcht bis der zweifelhafte Kurs klar vor dir liegt. Dann erkenne seinen Verdienst oder entdecke seine Falschheit, heiße willkommen oder weise zurück." Danach gab der mutige Sarabhu sein besonnenes Urteil ab: "Nun Rama, sende einen geschickten Spion mit dem geschliffensten Takt zum Prüfen und Verführen. Dann gib dem Fremden, wie es gerecht ist, dein Vertrauen oder lehne ihn ab." Es stand König Jambavan auf, dessen Herz einen reichen Vorrat an lebendigem Schrifttum bewahrte, und rief: "Verdächtige, verdächtige einen Feind, der mit Ravana, dem Herrn von Lanka, und mit Rakshasa Sünde und Rakshasa Tücke im Bunde ist." Mainda, der weiseste Anführer, der um Übel, Recht, Falschheit und Wahrheit wußte, überlegte eine Weile, brach dann die Stille und sprach den nüchternen Rat: "Laß einen mit wohlwollender Rede sich dem Vibhishan nähern und freundlich sein Ohr bezaubern, bis er die linde Hexerei spürt und sein geheimes Herz enthüllt. So wirst du von seinen Zielen und Hoffnungen erfahren und den Freund willkommen heißen oder den Feind meiden."

"Nicht einmal er, welcher die Götter belehrte (Vrihaspati), kann es mit dir aufnehmen," sprach Hanuman, "du Höchster in der Kraft des schnellsten Sinnes und Erster in der Kunst der Rede. Doch höre mich milde sprechen, oh König, und lerne über die Hoffnung, an der ich hänge. Vibhishan kommt nicht als hinterlistiger Spion. Er ward durch den Fehler seines Bruder gezwungen zu fliehen. Mit gerechter Seele, welche die Sünde verabscheut, verließ er Lanka und seine Familie. Wenn Fremde ihn jetzt befragen, erhebt sich bestimmt Zweifel und läßt das Herz eines so Weisen erzittern. Von Mißtrauen zerstört wird die Unterhandlung dann enden, und ein treuer Freund ist verloren. Denke nicht, daß es ein Leichtes ist, das Herz eines Fremden zu ergründen, oh König. Doch ich glaube, was immer er sagt, er wird niemals mit einem bösen Gedanken betrügen. Er kommt als Freund in glücklicher Zeit und haßt seinen Bruder für sein Verbrechen. Sein Ohr hat deinen alten Ruhm vernommen und deine Macht, die Bali niederstreckte und Sugriva zum Thron verhalf. Nur dich allein sucht er hier und kommt, deine unvergleichliche Hilfe zu gewinnen und Ravana für seine Sünde zu bestrafen. So habe ich versucht, dein Herz zu bewegen und Vibhishans Wahrhaftigkeit zu beweisen. Ich vertraue immer noch in seine Freundschaft. Doch denke nach, sei weise und entscheide."


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(1) In der bengalischen Version wird Vibhishan von Ravana vom Sitz gestoßen. Dann erzählt er seiner Mutter, was geschehen ist, und geht zum Berg Kailash, wo er ein Gespräch mit Shiva führt. In jenem wird ihm geraten, Rama und die Vanar Armee aufzusuchen.