Pushpak Ramayana Buch 6Zurück WeiterNews

Canto 12 - Ravanas Rede

Der unübertroffene König ließ seine Augen über die Synode schweifen und sprach zum ungestümen Prahasta, dem Ersten und Besten aller seiner Kapitäne: "Tapferer Meister einer jeden Kriegskunst, erhebe dich und erledige deinen Teil. Stell das vierfache Heer(1) auf, um unsere Insel und die Zitadelle wohl zu beschützen." Der Anführer des Heeres gehorchte und arrangierte die Truppen mit besonnener Fertigkeit. Dann eilte er zurück zur Halle, stand vorm König und rief: "Jeder Einlaß in die Stadt ist verschlossen. Innen und außen sind Truppen postiert. Verfolge mit furchtlosem Herzen dein Ziel und erledige die Tat, welche du planst." So sprach Prahasta mit Eifer für das Wohl des Königreiches.

Daraufhin sprach der Monarch, welcher vor allem sein eigenes Vergnügen verfolgte: "In Sorglosigkeit und Glück, in Mühe und Schmerz, bei Zweifeln an der Pflicht, im Vergnügen und im Kummer brauche ich dir nicht den rechten Weg aufzuzeigen, denn du weißt ihn selbst sehr wohl. Die Sturmgötter, der Mond und die Planeten bringen ihrem himmlischen König (Indra) neue Herrlichkeit, und du, dich um deinen Monarchen bewegend, bringst mir Freude und endlosen Ruhm. Meinen geheimen Ratschlag habe ich bewahrt, während der sinnenlose Kumbhakarna schlief. Sechs Monate währte der Schlummer des Kriegers und band seine trägen Sinne fest. Doch nun unterbrach er seine tiefe Ruhe, denn der Trommelschlag weckte alle unsere Helden. Ich raubte die Tochter des Videha Königs, um Ramas Herz auszuwringen, und brachte sie aus dem fernen Land (Janasthan), wo viele Rakshasa Banden wanderten. Verächtlich weist sie immer noch meine Liebe, jede Bitte und alle Angebote ab. Doch in allen Ländern unter der Sonne kann sich keine Dame mit Sita vergleichen, keine. Ihre zierliche Taille ist rund und schlank und ihre Wange so hell wie der Herbstmond. Wie eine Frucht aus gemeißeltem Gold spottet sie jener, die einst Maya schuf(2). Wie makellos ist ihre Figur und wie sicher betreten ihre Füße mit den rosigen Sohlen den Boden. Ach, wenn ich ihre Schönheiten betrachte, nehmen sie meinen Geist ein, und meine Leidenschaft erwacht. Nach dem fernen Rama Ausschau haltend bat sie mit Tränen in den Augen um ein Jahr Aufschub. Und ich, während ich in ihre vor Liebe leuchtenden Augen schaute, konnte die ernste Bitte nicht abschlagen.

Doch verspottete Hoffnung und vergebliches Verlangen haben letztendlich meinen geduldigen Geist ermüdet. Werden die Söhne des Raghu aus Rache über die pfadlose Tiefe gelangen? Können sie das Vanar Gefolge über den von Monstern wimmelnden Ozean führen? Ein Vanar konnte schon den Weg nach Lanka finden, konnte brennen und töten. Also denkt nach und beratet euch, damit wir von den Menschen nichts Übles befürchten müssen. Gebt euer Urteil in der Debatte ab, denn unvergleichlich ist die Kraft des Schicksals. Von euch angegriffen fielen die im Himmel wohnenden Götter unter eurem Zorn. Sollen wir nun diese Kreaturen fürchten, welche sich im Walde vermehren und von Sugriva angeführt werden? In diesem Augenblick stehen die Söhne von Dasaratha am fernen Meeresstrand und folgen Sitas Spuren, darauf brennend, ihre Gigantenfeinde anzugreifen. Beratet euch, ihr Edlen, denn ihr seid weise, und ersinnt einen vernünftigen Plan, wie mir die gefangene Dame erhalten bleibt und der Triumph über den erschlagenen Feind sicher ist. Keine Macht kann diese Vanars über das schäumende Meer zu unserer heimatlichen Insel bringen. Oder, wenn sie wie verrückt unserer siegenden Macht trotzen sollten, müssen sie sterben."

Da erwachte Kumbhakarnas Ärger und wütend über Ravanas Worte sprach er: "Oh Monarch, als deine hingerissenen Augen das erste Mal auf den lieblichen Preis schauten, da war die Zeit uns zu bitten, alle Gefahren zu prüfen und einen Plan reifen zu lassen. Gesegnet ist der König, der mit Achtsamkeit handelt, und niemals eine vorschnelle Tat bereut. Doch glücklos ist der, dessen verstörte Seele über Tage klagt, die jenseits jeglicher Kontrolle sind. Du hast, von der Schönheit Schlingen umgarnt, eine verzweifelte Tat der Kühnheit gewagt. Das Glück verschonte dich, bevor Ramas Stahl dir eine Wunde und dein tödliches Verderben zufügen konnte. Doch nun, Ravana, da die Tat einmal geschehen, werde ich die Gefahr der Schlacht nicht meiden. Dieser Arm, oh Wanderer der Nacht, wird deine Feinde zu Boden schicken, auch wenn Indra mit dem Herrn der Flammen, der Sonne und des Sturms über mich käme. Sogar Indra, der Monarch des Himmels, würde meine Keule und meine bergesgroße Gestalt fürchten, vor diesen Zähnen zurückschrecken und zittern, wenn er den Donner meiner furchtbaren Stimme hört. Rama soll keinen zweiten Pfeil absenden. Der erste, den er schickt, wird sein letzter sein. Er wird fallen, und diese trockenen Lippen sollen das Blut von dem trinken, den meine Hand tötete. Und Sita, wenn ihr Sieger stirbt, wird dein unbestreitbarer Preis sein."


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(1) Krieger auf Elefanten und Streitwagen, Wagenlenker und Infanterie
(2) eine Frau, welche als Muster weiblicher Schönheit gilt