Pushpak Ramayana Buch 4Zurück WeiterNews

Canto 40 - Die Armee des Ostens

Mit geübtem Auge überschaute der König die Mengen der Vanars aus allen Bezirken und freudig, da sein Befehl befolgt ward, sprach er zu Raghus mächtigem Sohn: "Sieh, alle Vanar Heere, die meine souveräne Macht fürchten, sind hier versammelt. Anführer, so stark wie Indra selbst, die dahin eilen, wo es erforderlich ist, führen diese Armeen. Sie sehen schrecklich und furchtbar aus wie die Banden der Daityas oder Danavas (Unholde und Feinde der Götter). In allen Landen sind sie dafür berühmt, daß ihre Seelen feurig und ihre Gedanken erhaben sind. Sie ermüden niemals, wandern frei durch Täler, über Berge und Inseln in der fernen See. Alle diese versammelten Myriaden werden dir auf deinen Ruf hin dienen, Rama. Was immer dein Herz beschließt, sprich es aus. Die Heere werden deinem Befehl gehorchen."

Und Rama antwortete, während er den Vanar Monarchen an seine Brust zog: "Oh, suche nach meiner verlorenen Sita. Versuche herauszufinden, ob sie noch lebt. Und finde in deiner wunderbaren Weisheit die Spur zum Wohnort des schrecklichen Ravana. Und wenn wir nach mühevoller Suche wissen, wo Sita und der Feind sind, werde ich mit dir, lieber Freund, passende Mittel ersinnen, das Unterfangen zu Ende zu bringen. Die Kraft liegt nicht bei mir oder Lakshmana, uns in der Stunde des Zweifels zu führen. Du, Herrscher der Vanars, du mußt nun unsere Hoffnung und unser Führer sein."

Er verstummte. Auf König Sugrivas Ruf kam ein starker und hochgewachsener Vanar. Riesig wie ein turmhoher Berg und laut wie eine gewaltige Donnerwolke war der Prinz, der die kriegerischen Legionen führte. Zu ihm wandte sich der Herrscher und sprach: "Geh, nimm zehntausend deiner Art, die wohl geübt in den Traditionen von Zeit und Ort sind, und durchsuche die östlichen Regionen. Folgt eurem Weg durch Hain, Dschungel und Berg und sucht nach Sita. Spürt den Ort auf, wo sich Ravana versteckt und weilet nicht. Sucht nach der Gefangenen in Bergeshöhlen, in Wäldern und bei den Wellen. Begebt euch zu Sarju und Kausiki, zur frischen und schönen Tochter Baghirathas (Ganga), durchsucht den mächtigen Gipfel Yamuns, ergründet das entzückende Ufer der schnellen Yamuna(1), dann Sarasvatis und Sindhus (Indus) Gezeiten, und die steinigen Ufer der flinken Sona. Durchstreift die fernen Wälder an Mahis Bett, wo sich die Kalamahi Haine erstrecken. Geht, wo die seidenen Tücher glänzen und zum Land der Silberminen. Besucht jede Insel, Bergesflanke und Stadt, die von der Meerestiefe umgeben wird, auch die fernen Dörfer, die hoch auf dem Gipfel Mandars liegen. Eilt durch das Yavadwipa Land und seht dort nach, wo stolz der Berg Sisir steht und sein Haupt in den Himmel erhebt, welches von Göttern und Danavas besucht wird. Untersucht jede Klamm und alle Bergespässe, jedes verschlungene Dickicht tief im Gras. Durchsucht jede Höhle mit größter Sorgfalt, ob die Königin Ramas zufällig dort ist. Dann setzt über die brüllende See, wo die himmlischen Wesen frei wandern und Sonas Wasser schnell und stark mit roten Weiden gesäumt aufschäumen. Sucht, wo ihre steilen Uferbänke abfallen und wo die hängenden Wälder sich ausbreiten. Schaut nach, ob das pfadlose Dickicht den Räuber und die gefangene Königin zeigt. Sucht, wo die reißenden Ströme, die den Berg spalten, sich in die Ebenen ergießen. Sucht dunkle Abgründe auf, und alle Bergeshänge, Wald und Höhlen. Dann weiter auf schnellen Füßen zum Binnenland des fürchterlichen Ozeans, wo, gequält vom peitschenden Sturm, die Wogen an die rauhen Felsen schmettern: Ein Ozean wie eine schwarze Wolke, an dessen Grenzen sich monströse Schlangen drängen, der sich mit einem Brüllen erhebt und gegen einen eisernen Strand schlägt.

Doch immer weiter! Eure Füße sollen die Ufer jener Ozeane betreten, deren Wellen rot sind, und wo eure Augen die sich weit erstreckenden Baumwollbäume erblicken sollen, welche die Schuldigen quälen(2). Auch den wilden Ort, wo Garuda (König der gefiederten Wesen) lebt, den Juwelen und Muscheln aus dem Ozean schmücken, so hoch wie der Kailash, edel verziert und vom himmlischen Architekten (Visvakarma) erbaut. Dort hängen riesige Giganten, die Mahendas(3) in üblen, von ihnen gern getragenen Gestalten vom Gipfel des Berges und betäuben die Seele mit ängstlichem Frösteln. Wenn die Sonne ihren ersten Strahl losschickt, dann versenken sie sich in den Fluten des Ozeans, erhalten neue Kraft von ihren Strahlen und hängen wieder von den Felsen. Eilt immer weiter! Eure Schritte sollen endlich auch die Milchige See erreichen, deren kleine, sich kräuselnde Wellen herrlich glänzen von reichen Perlenschätzen. Inmitten des Meeres erhebt der Berg Rishab sein Haupt wie eine sich ausstreckende bleiche Wolke. Um die herrliche Hüfte des Berges winden sich wohlriechende und blühende Wälder. Dort liegt ein glitzernder See, wo die Lotusblumen ihre silbernen Knospen mit goldenen Streifen auseinanderfalten. Sudarsan ist immer hell und schön, und die weißen Schwäne spielen dort. Es ist der liebe Rückzugsort der Kinnaras(4), wo himmlische Nymphen und Yakshas(5) sich vergnügen.

Weiter! Laßt den Milchigen Ozean hinter euch zurück und findet eine weitere Flut auf eurer Suche: ein ungenutztes Wasser, wild und schrecklich, das jedes lebende Herz vor Furcht frösteln läßt. Seht dort des Pferdes schreckliches Haupt, wie es zorngeboren im Bett des Ozeans erflammt(6). Es erhebt sich ein grausamer Schrei von den Wesen, die sich im Ozean bewegen und hilf- und kraftlos zur Flucht auf den fürchterlichen Anblick starren. Begebt euch zum nördlichen Strand. Zehn Meilen und dreißig hinter der Flut werden eure verwunderten Blicke den Berg Jatarupa (heißt: Gold) erspähen, strahlend vor Gold. Dort werdet ihr die riesige Schlange erblicken, die Stütze der Erde, die so bleich wie der junge Mond ist, und deren helle Augen so groß wie Lotusblätter sind. Sie ruht auf der Stirn des Berges, und alle Götter verneigen sich vor ihr. Ananta(7) mit den tausend Häuptern kleidet sich in ganzer Länge in azurblaue Hüllen. Eine dreiköpfige Palme aus Gold, das passende Banner für die hochbeseelte Schlange, erhebt sich turmhoch von der Bergesklamm. Unter ihrem Schatten liebt sie es, sich auszuruhen, und jeder Gott der östlichen Bereiche kann sie als Maß erkennen. Darunter wird sich in brennendem Gold der östliche Gipfel zeigen, der sich in unerreichter Pracht hunderte von Meilen in den Himmel erhebt. Die ganze ihn umgebende Luft erstrahlt vor lauter goldenen Bäumen, welche die Höhe einhüllen. Eine hohe Spitze erhebt sich dort, dreißig Meilen hoch und drei Meilen im Quadrat. Es ist der aus glitzerndem Gold gewirkte Saumanas, welches niemals von ihm losgelöst werden kann. Dort plazierte Lord Vishnu seinen ersten Schritt, als er das Universum durchquerte und mit dem zweiten Fuß leicht den höchsten Gipfel des Meru berührte. Wenn nördlich von Jambudvipa(8) die Sonne einen guten Teil ihres Weges zurückgelegt hat und über der Bergeskette hängt, dann sehen die Wesen das freundliche Licht. Die Vaikhanasas, diese weithin berühmten Heiligen(9), und Valakhilas(10) lieben den Ort. Vom morgendlichen Glühen berührt strahlen die Halbgöttlichen in ihrem Glanze. Das Licht, welches vom Steilhang blitzt, erleuchtet das ganze Sudarsandvipa(11), und wie es glühend auf jedes Wesen fällt, gewährt es ihnen Sicht und Lebenskraft.

Sucht gründlich die waldige Seite des Berges ab, ob Ravana dort seine Gefangene versteckt. Die aufgehende Sonne und die goldenen Berge erfüllen die Luft mit einem wachsenden Leuchten, bis aus dem Osten die Morgenröte aufblitzt in dem Lichte, welches sie ausschütten. Hier beginnt die Sonne ihren Stand, ist der Erde und des Himmels östlichstes Tor. Durchsucht all die Bergeswälder, die Wasserfälle, Höhlen und Gipfel. Sucht in jedem Winkel und in jeder buschigen Senke, ob Ravana dort mit Sita lebt. Doch dort, Vanars, müssen eure Schritte einhalten. Weiter östlich könnt ihr nicht gehen. Jenseits von dort geben weder Sonne noch Mond ihr Licht, und alles ist in endloser Nacht versunken. So weit, ihr Vanar Herren, mögt ihr über Meer und Land eure Suche ausdehnen. Doch wild und dunkel und niemandem bekannt ist der furchtbare Raum jenseits der Sonne. Der Berg, an dem die Sonne aufgeht, beendet eure lange und ermüdende Reise. Nun geht, kehrt nach einem Monat zurück und gewinnt euch mit Erfolg mein Lob. Wer länger als zwei Monate wegbleibt, wird mit seinem Leben bezahlen."


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(1) auch Jumna, Zwillingsschwester Yamas und Tochter der Sonne
(2) die sagenhafte Dornenrute des Baumwollbaumes zur Bestrafung der Bösen in der Hölle
(3) Vishnu Purana: Die schreckliche Unholde mit Namen Mahendas versuchten, die Sonne zu verschlingen. Brahma verkündete daraufhin den Fluch, daß sie, ohne daß ihre Kraft vergeht, jeden Tag sterben und des nächtens wiederaufleben soll. Daher gibt es täglich einen schrecklichen Wettstreit zwischen ihnen und der Sonne.
(4) Wesen mit Pferdeköpfen und Menschenkörper
(5) Halbgötter, die Diener Kuveras, dem Gott des Reichtums
(6) Aurva war ein Abkömmling Bhrigus. Von seinem Zorn entstand eine Flamme, der es gegeben war, die Welt zu zerstören. Doch Aurva warf sie in den Ozean, wo sie seither verschlossen bleibt und das Gesicht eines Pferdes trägt. - Legende aus dem Mahabharata
(7) auch Sesha, der berühmte Schlangenkönig, trägt die Erde auf einem seiner tausend Häupter
(8) das Zentrum der sieben großen Dvipas/Kontinente, dort befindet sich der goldene Meru und auf dessen Spitze die Stadt Brahmas - Vishnu Purana
(9) stammen von den Fingernägeln Prajapatis ab
(10) die Frau Eratus brachte die sechzigtausend Valakhilas zur Welt, zwergenhafte Weise, nicht größer als ein Daumen, keusch, fromm und strahlend wie die Strahlen der Sonne - Vishnu Purana
(11) der Kontinent, auf dem Meru/Sudarsan steht