Pushpak Ramayana Buch 4Zurück WeiterNews

Canto 28 - Regen

"Sieh Bruder, sieh" so rief Rama, "die Wolkenkette an Malyavats dunkel bewaldeter Seite, wie hohe Berge sieht sie aus. Der Himmel füllt sich mit ballenden Schatten. Neun Monate haben diese Wolken ihre Last getragen, die sie von den glühenden Sonnenstrahlen empfingen. Nun, nachdem sie im Ozean getrunken haben, gebären sie und lassen ihre Frucht auf die Erde fallen. Zu solcher Zeit scheint es einfach, die Flucht von Wolkentreppen zu erklimmen. Und auf ihrem sicher erreichten Gipfel hängen blumige Kränze um die Sonne. Sieh, wie das blitzende Abendrot sich über den geschröpften Wolken ausbreitet, bis der ganze Himmel gestreift und wie mit blutigen Wunden übersäht aussieht. Oder das weite Firmament hoch droben sieht wie ein Liebeskranker aus. Bleich mit Wölkchen erhebt er einen Seufzer, der in der sanften Brise vorbeiweht. Schau, durch die glühende Hitze verdunkelte sich der Boden und nun, von den letzten Schauern getränkt, fließen seine Ströme in leidenschaftlichen Tränen, wie die von Sita, wenn sie außer sich vor quälender Furcht ist. So sanft und kühl bläst die wolkengeborene Brise durch die Zweige des Kampferbaumes, daß man meinte, sie mit der hohlen Hand auffangen und trinken zu können. Bruder sieh, wo am Felsenhang die duftenden Büsche ihre Regentropfen weinen. Sie sehen wie Sugriva aus, wenn sie ihm den königlichen Balsam auf das Haupt träufeln. Und diese Berge sehen wie fleißige Brahmanenschüler aus, deren neblige Gipfel nahe scheinen: Aus Wolken gemachte Kleidung umschleiert ihre Formen mit passenden Mänteln wie mit schwarzen Hirschfellen(1). Jeder Strom, der sich vom Gipfel stürzt, sorgt für die heilige Schnur(2), und die Winde, die durch die Höhlen jaulen, klingen wie gedämpfte Stimmen(3).

Von Ost nach West leuchten die roten Blitze und der weite Himmel ächzt wie ein üppiges, unter der goldenen Peitsche zitterndes Pferd bei jedem Ruf nach Eile. Dieser Blitz, der durch die riesige, dunkle Wolke rast, erinnert mich an die beklagenswerte Sita, wie sie zappelnd an die Dämonenbrust gepreßt wurde. Sieh, auf jenem Gebirgskamm stehen süße Sträucher mit weit geöffneten Blüten und Knospen. Die sanften Regen beenden ihre kummervollen Schmerzen und beträufeln ihre Blüten und Blätter mit Perlen. Doch ihr Entzücken durchbohrt mich durch und durch und ruft erneut meine sehnende Liebe wach. Es fliegen keine wilden Vögel mehr durch die Lüfte, und jede Lilie schließt ihre müden Augen. Die Blüten des offenen Jasmins zeigen an, daß die scheidende Sonne ihre Glut verloren hat. Anführer brennen nicht mehr auf Eroberung und führen ihre Armeen heimwärts, denn sowohl die Straßen als auch die ehrgeizigen Pläne von Königen sind unter den herabfließenden Strömen verschwunden. Dies ist der wasserreiche Monat (August/September), in dem die heiligen Saman (Sama Veda) Hymnen beginnen. Ashadha (Juni/Juli) ist vorüber, Kosalas Herr (sein Bruder Bharata) hat die Ernte des Frühlings eingebracht(4), und lebt nun innerhalb seines Palastes frei von allen Sorgen und Nöten. Voll ist der Mond, und die furchtbar starke und ungestüme Sarju(5) donnert laut, als ob Ayodhyas Volk herausgerannt kommt, um seinen König mit widerhallendem Geschrei zu begrüßen.

In dieser süßen Zeit der Ruhe und Behaglichkeit stört keine Sorge Sugrivas Brust. Der Feind, der seinen Frieden untergrub, ist besiegt, und Königin und Reich sind wieder sein. Nun, mein ist ein härteres Schicksal. Denn ich bin von beidem getrennt und sehne mich nach Reich und Königin. Und wie das Ufer, welches die Flut untergräbt, versinke ich unter der Last meines Kummers. Schwer liegt mein Elend auf meiner Seele, und dieser lange Regen hält unsere Taten auf. Ist vielleicht Ravana ein mächtigerer Feind, als meine Hoffnung wagen könnte, ihn zu besiegen? Ich sah die Straßen, die der Regen versperrte, und wußte, meine Hoffnungen auf Krieg sind jetzt vergebens. Auch konnte ich Sugriva nicht bitten, sich zu erheben und meinem Unterfangen sofort zu helfen. Auch jetzt kann ich kaum meinen Freund drängen, von dem sein Haus und sein Reich abhängen und der nun, nach vergangener Mühe und Gefahr, endlich mit seiner Königin glücklich ist. Nach der Ruhepause wird Sugriva wissen, wann die Stunde gekommen ist, den Schlag auszuführen. Auch wird seine dankbare Seele nicht den Beistand für mich vergessen noch die Schuld abstreiten. Ich kenne sein großzügiges Herz und erwarte daher die Zeit mit Vertrauen, wenn er seinen freundlichen Eifer zeigen wird und die Bäche wieder ungestört fließen."


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(1) die typische Kleidung für Asketen und religiösen Schülern
(2) von den Zweifachgeborenen wie ein Abzeichen getragen
(3) das Murmeln der Schüler, mit dem sie ihre Arbeit begleiten
(4) oder auch: hat alle heiligen Riten vollendet und sich reichen Verdienst angesammelt
(5) der Fluß, an dessen Ufern Ayodhya liegt