Pushpak Ramayana Buch 4Zurück WeiterNews

Canto 12 - Die Salbäume

Damit sein Freund von seiner unerreichten Stärke erfahren möge, ergriff Rama seinen gewaltigen Bogen, diesen Schrecken der Feinde, und legte einen Pfeil auf die Sehne. Er richtete sein Auge auf den nächsten Baum, und die sausende Waffe flog davon. Aus dem Griff des unvergleichlichen Helden entlassen zerteilte der mit glänzendem Gold bedeckte Pfeil die sieben Salbäume in einer Reihe und flog durch den Berg dahinter. Er passierte sieben unterirdische Bereiche und erreichte zuletzt die tiefste Tiefe. Diese verließ er wieder, zurück ging es durch Erde und Luft, dann suchte er sich seinen Köcher und kam dort zur Ruhe(1).

Der Herrscher der Vanars starrte verwundert auf die sieben gespaltenen Bäume. Mit all seinen Ketten und dem Gold ausgebreitet legte er seinen Kopf auf die Erde. Dann erhob er sich, die Hände in Demut aneinandergelegt, zeigte seine Ehrerbietung, und sprach freudig zu Rama, dem Besten der schlachtgeübten Prinzen: "Welcher Sieger mag hoffen, es mit dir, Raghus Sohn, im tödlichen Kampfe aufzunehmen, dessen Pfeil, vom Bogen losgelöst, Bäume, Berg und die Erde dort unten zerteilt? Von deiner siegreichen Hand angegriffen werden kaum die Götter in Schlachtordnung und Indra selbst mit dem Leben davonkommen. Wie kann dann Bali hoffen, dir zu widerstehen? Aller Kummer und alle Sorge sind verflogen, und freudige Gedanken beherrschen meinen Busen, da ich in dir einen Freund fand, so berühmt wie Varuna(2) oder Indra. Auf denn! Auf die Forderung dieser Freundschaft hin - unterwirf meinen Feind, der den Namen eines Bruders trägt. Erschlage Bali und zwinge ihn unter deine Füße. Mit flehenden Händen bitte ich dich darum." Sugriva schwieg, und Rama drückte den dankbaren Vanar an seine Brust. In Lakshmana erwachten ähnliche Gefühle als er sprach: "Auf nach Kishkinda, auf in Eile! Du, Vanar König, sollst uns den Weg weisen und dann Bali zum Kampf auffordern, deinen Feind, der die Rechte eines Bruders verachtet."

Sie kamen an die Tore von Kishkinda und standen verborgen hinter Bäumen im tiefsten Wald. Sugriva zog, zum Kampfe bereit, seine gegürtete Weste enger und entließ einen wilden, den Himmel zerschneidenden Schrei, um den Feind Bali herauszurufen. Ungestüm und vom Schrei zur Raserei angestachelt kam Bali heraus. So schnellt die große Sonne ungeduldig im Osten herauf, kurz bevor die Nacht vergeht. Der Kampf wütete wild und schrecklich, als die Feinde sich im Faustkampf begegneten. So bestritten Merkur und der furchtbare Mars inmitten der Sterne ihre Schlacht. In höchstem Grade rasend schlugen ihre Fäuste wie Donnerschläge aufeinander ein, während Rama sich in der Nähe aufstellte und mit dem Bogen in der Hand die Schlacht beobachtete. Sie waren sich in Gestalt und Macht so ähnlich, wie die himmlischen Aswin Zwillinge im Kampfe. Der Sohn des Raghu konnte nicht erkennen, wo der Freund focht und wo der Feind. Zwar hatte er seinen gespannten Bogen bereit, doch kein lebenszerstörender Pfeil flog davon. Von Balis mächtigeren Schlägen niedergeschmettert, erlahmte Sugrivas Kraft und brach, und er floh bestürzt zurück nach Rishyamuki, nicht länger auf die Hilfe von Rama hoffend. Müde, schwach und schwer verwundet, sein Körper zerschlagen und mit Blut getränkt von Balis Schlägen, zornig und furchtsam floh er in die schützenden Wälder. Bali wagte es nicht, ihm weiter zu folgen, denn er wußte wohl um den begrenzenden Fluch. "Vorm Tode geflohen!" schrie der Sieger und kehrte nach Hause zurück. Hanuman, Lakshmana und Raghus Sohn sahen den besiegten Vanar fliehen und folgten ihm in die schützenden Schatten, wo der verstörte Sugriva stand.

Näher und näher kamen die Prinzen, und vor unerträglicher Scham wagte Sugriva nicht, die Augen zu erheben, als er mit vielen Seufzern sprach: "Deine unvergleichliche Stärke habe ich gesehen und wagte es, von dir angetrieben, meinen Feind anzugreifen. Warum hast du mich getäuscht und in die sichere Niederlage gezwungen? Du hättest sagen sollen: 'Ich will deinen Feind im kommenden Kampf nicht töten!' Dann hätte ich deine Absicht erkannt und mich nicht allein in den Kampf gewagt." Mit kläglicher Stimme sprach der hochbeseelte Vanar Herrscher von seinen Sorgen. Doch Rama sprach: "Höre Sugriva, entlasse alle Sorgen aus deinem Herzen. Ich werde dir den Grund sagen, der meinen Pfeil auf- und die Hilfe zurückhielt. In Kleidung, Schmuck, Gewicht und Größe, in Erscheinung, Kampfschrei und Macht konnte ich nicht den Schatten eines Unterschiedes zwischen deinem Feind und dir, oh König, erkennen. So ähnlich ward ihr, ich stand und starrte, und meine Sinne waren verloren in wilder Verwirrung. Auch ließ ich den tödlichen Pfeil für den Feind nicht von meinem gespannten Bogen, damit ich in meinem Zweifel nicht unseren sichersten Freund in den plötzlichen Tod sende. Oh, wenn diese Hand in unachtsamer Schuld und raschem Entschluß dein Blut vergossen hätte, durch jedes Land würde meine wilde und törichte Tat klingen, oh Vanar König. Die schwere Last der Sünde muß sich auf den legen, durch den ein Freund den Tod findet. Dabei ruhen Lakshmana, Sita, die Beste der Damen, und ich in deinem Schutz. Auf Krieger! Bereite dich auf den Kampf vor und fürchte nicht, deinem Feind erneut entgegenzutreten. Innerhalb einer Stunde wird dein Auge sehen, wie mein Pfeil deinen Feind durchbohrt, wie der geschlagene Bali am Boden liegt, nach Luft ringt und stirbt. Doch komm, laß uns ein Kennzeichen um dich binden, oh Monarch des Vanar Geschlechts, damit meine Augen in der Wucht der Schlacht Freund und Feind erkennen mögen. Komm Lakshmana, laß diese Pflanze mit den hellen Blüten Sugrivas Hals bedecken und ein glückliches Zeichen sein, welches den Prinzen mit dem hohen Geist umwindet."

An der Bergesflanke wuchs eine schön anzusehende, sich windende Kletterpflanze. Lakshmana pflückte die Blühende und wand die Girlande um Sugrivas Nacken. Mit dem blumigen Kranz geziert sah der Vanar Prinz wie eine dunkle Wolke am Ende des Tages aus, die von spielenden Kranichen umgeben ist. Der Vanar glänzte in herrlichem Licht, als er an der Seite seiner Kameraden wanderte und, immer noch auf Ramas Wort vertrauend, seine Schritte wieder nach Kishkinda wandte.


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(1) Im bengalischen Text kehrt er in Form eines Schwans zurück
(2) Varuna ist einer der ältesten vedischen Gottheiten. Oft wurde er als die höchste Gottheit angesehen. Er erhielt Himmel und Erde, besaß außergewöhnliche Kräfte, sandte seine Boten durch beide Welten, zählte das menschliche Augenzwinkern, bestrafte Sünder, die er mit seiner tödlichen Schlinge fing und vergab die Sünden derer, die Reue empfanden. In der späteren Mythologie wurde er zum Gott des Ozeans.