Pushpak Ramayana Buch 3Zurück WeiterNews

Canto 11 - Agastya

Rama schritt den dreien voran, als nächste die schön anzusehende Sita und Lakshmana beendete den kleinen Zug mit dem Bogen in der Hand. Ihre Augen hingen mit großem Entzücken an felsigen Höhen neben dem Weg und hohen Bäumen mit bunten Blüten. Die Jünglinge passierten mit Sita schöne und schnellfließende Bäche. Sie beobachteten Saras und Enten auf den Inselchen in Fluß und Teich und starrten verzückt auf die mit bunten Vögeln und Lotusknospen bedeckten Fluten. Sie schauten auf Herden von aufgeschreckten Rehen, auf leidenschaftlich rasende Büffel, wilde Elefanten, die frischgewachsene Bäume zerrissen, und viele Eber. So ließen sie eine beachtliche Wegeslänge hinter sich. Und als dann endlich die Sonne niedrig stand, erblickten sie einen lieblichen, von einem Fluß gespeisten See, der sechs Meilen breit war. Hochgewachsene Elefanten gaben dem grasigen Ufer und der lilienbekränzten Welle frische Schönheit, und viele Schwäne, Saras, Enten und buntgefiederte Wasservögel rührten sich. Von diesen süßen Wassern her ertönten laut und lang die hohen Stimmen der Musiker vermischt mit vielen Instrumenten, obwohl niemand zu sehen war. Rama und der wagengeborene Lakshmana lauschten mit Verwunderung der zauberhaften Melodie, wandten sich dem Ufer und dem Weisen Dharmabhait zu und sprachen: "Unsere Seelen sehnen sich danach, oh Einsiedler, mehr von der Musik dieses Sees zu erfahren. Wir bitten dich, edler Weiser, erkläre uns den Grund dieser geheimnisvollen Weise." So vom Sohn des Raghu gebeten, antwortete der tugendhafte Weise schnell und erzählte die Geschichte des schönen Sees:

"Durch alle Zeiten war er unter dem glorreichen Namen Panchapsaras (der See der fünf Nymphen/ Apsaras) bekannt. Durch den heiligen Mandakarni ward er geschaffen, der sich durch schwere Buße große Kraft gewonnen hatte. Denn er, der große Jünger, richtete sein hartes Leben auf strikteste Regeln aus. Zehntausend Jahre war der Fluß sein Bett. Zehntausend Jahre ernährte er sich nur von Luft. Da überkam die gesegneten Götter, die im Himmel wohnten, eine große Angst. Von Agni angeführt versammelten sie sich und beratschlagten besorgt: 'Der Eremit kann sich durch seine asketischen Qualen den Sitz von einem von uns gewinnen.' Mit angsterfüllten Herzen sprach dies die gesegnete Versammlung und bat fünf liebliche Nymphen, so wunderschön wie das Leuchten in der Abendluft, mit gewinnenden Schlichen den großen Einsiedler zu verführen und von seinen harten Gelübden abzulenken. Obwohl er um die Gesetze von Himmel und Erde wußte, konnten sie den Eremiten von seiner Aufgabe abziehen. Der große Asket wurde zum Sklaven besiegender Liebe, und die Götter waren gerettet. Jede der himmlischen Fünf wurde seine Ehefrau und dem Weisen verbunden. Und er schuf für seine Geliebten einen schönen Palast im See. Unter den Fluten leben die Damen, geben ihre Tage der Freude und Entspannung hin und umwerben den Einsiedler im Schoß der Glückseligkeit, dem sie nach seinen Bußeriten die Jugend erneuerten. Wenn die scherzenden Nymphen innerhalb ihrer geheimen Gemächer ihre Spiele beginnen, dann hörst du die wohlklingenden Weisen der Sänger, lieblich vermengt mit dem Klang ihrer Instrumente."

"Wie wunderlich sind deine Worte!" rief der berühmte Prinz des Raghu-Geschlechts, als er den Weisen die Wunder dieser Geschichte entfalten hörte. Als Rama so sprach, da erblickten seine Augen eine Einsiedelei, die mit dem Licht himmlischer Traditionen versehen und in der heiliges Gras und Kleidung ausgebreitet war. Mit Gattin und Bruder an seiner Seite trat er in die heiligen Schranken und wurde von den Asketen in allen Ehren empfangen. Dort blieb er für eine Weile. Mit der Zeit besuchte der Herr des Kriegsrechts nacheinander die Hütte eines jeden Heiligen. Hier blieb er zufrieden für einige Monate, dort dauerte sein Besuch ein Jahr an, wieder woanders richtete er sich für vier Monate ein oder, wie es sich ergab, fünf oder sechs Monate. Hier für acht Monate und dort für drei ließ sich der Sohn des Raghu nieder, manchmal nur Wochen, mehr oder weniger, und alle Zeit verbrachte er in ruhigem Glück. Als so der Held unbefangen unter den heiligen Anhängern lebte und seine Tage ohne Störungen verbrachte, da vergingen zehn angenehme Jahre wie im Fluge. Für eine Weile verblieb der pflichtgeübte Sohn des Raghu in jeder Hütte und lief dann mit seiner Dame weiter auf dem Weg bis zum Heim des guten Sutikshna. Von den Heiligen mit Ehre gelobt näherte er sich der Hütte des Einsiedlers. Dort lebte der Feindebezwinger noch einige Zeit in süßer Ruhe.

Eines Tages stand Rama im geheiligten Wald beim großen Sutikshna, und der Prinz sprach in demütiger Verehrung zum hohem Weisen: "Geehrter Herr, häufig erzählen Stimmen das Gerücht, daß in den weiten Wäldern rings um uns Agastya, der Heiligste der Eremiten, lebt. So riesig ist der Dschungel, ich kann den Weg zu seiner Wohnstatt nicht erkennen. Auch kann ich ohne Helfer nicht den Einsiedler mit dem nachdenklichen Geist finden. Mit meinem Bruder und meiner Frau würde ich gern zu ihm gehen und seine Gunst gewinnen. Ich möchte ihn in seinem einsamen Rückzugsort aufsuchen und den großen Heiligen mit Verehrung grüßen. Dieser eine Wunsch, oh Meister, ist stark, und lang habe ich ihn in meinem Herzen gehegt: Daß ich aus freien Stücken diesem einsiedlerischen Herrn meine Pflicht erweise." Als solchermaßen der Prinz mit dem tugendhaften Herzen seine feste Absicht erklärte, da erhob sich Freude im guten Sutikshna und er erwiderte: "Genau dies, oh Prinz, wonach du suchst, wollte ich dir eben nahelegen: Mit deiner Frau und deinem Bruder die glorreiche Zuflucht Agastya aufzusuchen. Ich halte dies für ein gutes Zeichen, daß du deinen Wunsch kundgetan hast, mein Prinz, und werde dir gern den Weg zu Agastyas Heim erklären. Lenke deine Füße südwärts, mein Sohn, etwa 24 Meilen jenseits von diesem stillen Ort wohnt Agastyas Bruder in einem schönen und strahlenden Heim. Es ist auf einem bewaldeten Hügel mit vielen knospenden Pippals (der heilige Feigenbaum) gekrönt. Dort lassen die Vögel ihre süßen Stimmen niemals schweigen, und die Bäume sind bunt vor Früchten und Blüten. Die Seen glänzen hell und kühl, und Lilien bedecken jeden angenehmen Teich, während Schwan, Kranich und Ente lieblich in den Quellen schwimmen. Bleibe dort für eine Nacht, oh Rama, und geh dann weiter. Immer südwärts mußt du wandern und am Ende des Dschungels wirst du etwa sechs Meilen entfernt die wunderbare Wohnstatt von Agastya erblicken. Im schönsten Teil des Waldes gelegen liegt die Hütte mit verschiedenartigem Blattwerk bedeckt. Dort werden Sita, Lakshmana und du süße und angenehme Stunden unter den schattigen Bäumen verbringen, denn die edelsten Gewächse findet man dort überreichlich im Buschwerk am Boden. Wenn es nun immer noch dein fester Entschluß ist, den außerordentlichen Heiligen zu sehen, dann oh Mächtiger, reise heute noch ab."

Der Eremit sprach, und Rama beugte sein Haupt in Verehrung. Ebenso Lakshmana. Dann machten sie sich mit Janaks Kind auf die Reise durch den wilden Wald. Er sah die dunklen Bäume, die den Weg säumten, und ferne Hügel sahen wie Wolken aus. Wie sie ihrem Weg folgten, erblickten sie auch viele Teiche und Bäche. Und als sie so auf dem Pfad gewandert waren, den ihnen Sutikshna empfohlen hatte, da sprach der Held mit jubelnder Brust zu seinem Bruder: "Hier ist sicher das Heim des strahlenden Asketen in Sicht. Hier führt Agastyas Bruder sein Leben, das sich auf heilige Pflichten richtet. Auf die Zeichen des Weges achtend, erkenne ich sie alle hier vereint. Ich sehe die Zweige sich tief unter den Früchten und Blüten beugen. Süße Luft kommt aus dem Wald, frisch von duftendem Gras, und bringt eine würzige Note hervor, wenn sie über die reifen Feigenfrüchte streicht. Sieh nur, hier und dort liegen hohe Stapel von gespaltenem Holz, und heiliges Gras wurde gesammelt, so hell, wie Streifen von glänzendem Lapislazuli. Genau im Zentrum des Schattens brennt das heilige Feuer des Einsiedlers. Ich sehe dessen Rauchstreifen im reinen Himmel, so dicht wie die düstere Spitze einer großen Wolke. Die Zweifachgeborenen kommen gerade von den versteckt liegenden Badeplätzen zurück, und jeder trägt die heilige Opfergabe an Blumen mit sich, die seine Hand selbst gesucht hat. Alle diese Zeichen, lieber Bruder, stimmen mit denen in Sutikshnas Rede überein. Zweifellos ist an diesem heiligen Platz Agastyas Bruder zu finden.

Einst besiegte Agastya, der die Welten mit Liebe betrachtet, einen todbringenden Unhold. Mit mächtigen Kräften bewaffnet, die er durch heilige Arbeit erhielt, bestimmte er alsdann diesen Hain zum Rückzugsort und als Schutz vor jeglicher tyrannischer Gewalt. In alten Zeiten lebten an diesem Ort zwei furchtbare Dämonenbrüder, Vatapi, der Gräßliche und Ilval. Sie schlachteten so manchen Brahmanen. Dazu trug Ilval Brahmanengestalt und sprach Sanskrit, um den Feind unter einem Mantel zu verstecken, so daß die zweifachgeborenen Heiligen ihn einluden, die Begräbnisriten feierlich zu begehen. Dort gab er den versammelten Priestern seines Bruders Fleisch zu essen, versteckt in der falschen Gestalt eines Widders und dessen geborgter Haut, wie es bei den Festmahlen zu Begräbnissen üblich ist. Die heiligen Männer, unwissentlich getäuscht, nahmen die Nahrung an und aßen sich satt. Dann rief Ilval mit einem lauten Schrei: 'Vatapi, komm heraus.' Sobald der die Stimme des Bruders hörte, blökte der Unhold wie ein Widder und, ihre Körper in Stücke reißend, kam er aus den sterbenden Priestern hervor. So wagten es die beiden, die ihre Gestalt durch ihren Willen verändern konnten, tausende von Brahmanen zu töten. Es waren schreckliche Dämonen, die grausame Taten liebten und sich gern von blutendem Fleisch ernährten. Agastya, der mächtige Einsiedler, kam eines Tages wie alle anderen zum Begräbnisbankett und aß das monsterliche Mahl gehorsam auf Geheiß des Gottes auf. 'Es ist getan, ist getan, (das Mahl ist beendet)' rief der furchtbare Ilval und brachte Wasser für die Hände. Dann erhob er seine Stimme und sprach: 'Komm, Bruder, und brich aus deinem Gefängnis aus.' Da sprach Agastya lächelnd zum rufenden Dämonen, der so lange die Brahmanen leiden ließ: 'Wie, Rakshasa, kann der Unhold seine Kraft zum Verlassen entfalten, wenn ich ihn bereits verdaute? Dein Bruder in des Widders Gestalt ist schon dorthin gegangen, wo das Königreich von Yama liegt.' Als der nächtliche Wanderer von Agastyas Worten erfuhr, daß sein dämonischer Bruder tot war, füllte sich seine Seele mit rächendem Zorn, und er stürmte gegen den Weisen an. Nur einen blitzenden Blick des Zorns, so heiß wie Feuer, warf der Eremit auf den sich nahenden Unhold und jener starb, zu Staub verbrannt. Aus Mitgefühl für die Not der Brahmanen vollbrachte Agastya diese kraftvolle Tat. Und dieser Hain mit Teichen und schönen Bäumen ist die Wohnstatt seines Bruders."

Während Rama die Geschichte erzählte und sich mit Sumitras Sohn unterhielt, da sandte die untergehende Sonne ihre letzten Strahlen, und der Abend brach über das Land herein. Eine Weile hielten die prinzlichen Brüder inne und hielten die Abendriten ab, dann näherten sie sich dem heiligen Wäldchen und lobpriesen die Heiligen in rechter Verehrung. Liebenswürdig ward Rama vom berühmten Asketen empfangen und mit Früchten und Einsiedlernahrung fürstlich bewirtet. Dann ruhte er sich für eine Nacht aus. Doch als die Nacht zu Ende war und die Sonne sich mit strahlendem Kranz erhob, da verließ der Sohn des Raghu sein Bett und sprach zum Bruder des Einsiedlers: "Wohl ausgeruht in deiner Einsiedlerklause stehe ich vor dir, oh Heiliger, und bitte um Abschied. Denn mit deiner Erlaubnis reise ich weiter, um deinen heiligen Bruder zu ehren." Der Weise erwiderte: "Geh, Rama, geh." und der Prinz verließ die Hütte. Während er den angenehmen Ort beschaute, ging er den Pfad, der ihm gewiesen war. Hunderte Pflanzen und Bäume von jeder Blattart und wechselnder Farbe wuchsen um ihn herum. Mit frohen Augen beschaute er alle: Jak (Brotfruchtbaum), wilder Reis und Sal. Er sah den roten Hibiskus strahlen und das blütenbesetzte Buschwerk seinen Glanz bis über hohe, blühende Bäume verbreiten. Manche waren von Elefanten umgestoßen worden, in anderen sprangen und spielten Affen herum, und durch den ganzen weiten Wald klang der Zauber der singenden und fröhlichen Vögel. Da wandte sich Rama mit den Lotusaugen zu Lakshmana um, der dichtauf folgte, und der heldenhafte Jüngling mit den vielen glücklichen Zeichen sprach: "Wie zart die Blätter der Bäume und wie zahm die Vögel und Tiere sind, die wir sehen. Bald werden wir das schöne Heim des großen Eremiten mit der friedlichen Seele erblicken. Die Taten des guten Agastya haben der Welt viel Ruhm gebracht. Ich sehe, ich sehe den stillen Ort, der Balsam für schmerzende und müde Füße ist. Wo sich weiße Wolken von den Flammen erheben und viele Bastmäntel mit Blumenkränzen liegen. Wo sich sanfte Waldbewohner versammeln und die Vögel laut singen. Er ist angefüllt mit Barmherzigkeit für die leidenden Kreaturen, und tödliche Feinde tötete er mit Macht. Diesen südlichen Rückzugsort schuf er als Zuflucht, frei von Bedrücktheit. Da steht sein Heim, dessen furchtbare Macht die Bande der Giganten zum Entfliehen brachte, deren neidische Augen von weitem auf die friedlichen Schatten schauen, die sie nicht stören können. Seit der höchst Heilige sich in diesem lieblichen Schatten niedergelassen hat, lebt die dämonische Brut von seiner Kraft im Zaum gehalten in Frieden und mit unterworfenen Seelen. Diese ganze südliche Region, deren Grenzen kein Unhold zu überschreiten vermag, trägt nun einen Namen, der niemals verblaßt, und ist durch ihn in allen Welten berühmt. Wenn Vindhya, der Beste der Berge, die Reise des Tagesgottes auf Befehl des Weisen aufhielte, würde er dazu demütig seinen Bergesrücken beugen. Der weißhaarige Eremit, für heilige Taten weltberühmt, hat sich in diesem Grund sein reines und gesegnetes Heim geschaffen, wo sanfte Tiere umherstreifen. Agastya, den die Welten ehren, der reine Heilige, dem alle Guten lieb sind, wird uns, seinen Gästen, seine Gunst erweisen und uns reichlich segnen, bevor wir gehen. Ich will all meine Gedanken auf dieses Ziel richten, die Gunst des Heiligen zu gewinnen, damit wir hier in Behaglichkeit die letzten Jahre unserer Verbannung verbringen können. Hier stehen Gottheiten und hohe Heilige, Götter und Barden der himmlischen Schar. Sie werden auf Agastya warten und ihm rein und angemessen dienen. Die Zunge des Lügners und der Geist des Tyrannen mögen innerhalb dieser Grenzen keine Heimat finden. Hier kann es keinen Betrug und keinen Sünder geben. So heilig und gut ist er. Hier weilen Vögel und die Herren des Schlangengeschlechts, Geister und Götter suchen den Ort auf. Zufrieden mit dürftiger Kost bleiben sie hier, um sich Verdienst als Lohn zu gewinnen. Hier vollendet, werfen die hohen Weisen ihre sterblichen Hüllen beiseite und suchen sich in Wagen, deren Glanz den Tagesgott verhöhnt, transformiert und strahlend die Himmel. Hier geben Götter an lebende Wesen, die seine Gunst gewannen und befreit von grausiger Sünde sind, königliche Macht und viel Gutes, unsterbliches Leben und Geisthaftigkeit. Nun, Lakshmana, wir sind fast da. Gehe du ein wenig voran und kündige dem mächtigen Heiligen an, daß ich mit Sita an meiner Seite nahe bin."



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