Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 103 - Das Begräbnisopfer

Als Rama jede dunkle Sorge von Bharatas Klagerede und alle Kunde vom Tode seines Vaters vernommen hatte, da sanken seine Lebensgeister, und die Sinne verließen ihn. Die traurigen Worte, die sein Bruder sprach, trafen ihn wie Donnerschläge, so furchtbar, wie die Blitze, die Indra schleudert, der Sieger über seine dämonischen Feinde. Voller Qual hob er die Arme und wie ein mit blühenden Zweigen geschmückter Baum, den der Waldarbeiter fällt, sank er ohnmächtig zu Boden. Der Herr der Erde fiel hilflos darnieder, als ob eine turmhohe Böschung den schlafenden Elefanten plötzlich tief unter sich begräbt. Schnell eilten seine Gemahlin und sein Bruder und schütteten weinend Wasser über ihm aus. Als sich langsam Sinne und Stärke wiedereinstellten, strömten von seinen Augen schnelle Tränen, und er sprach traurig und schwach zu Bharata wehleidige Worte über des Monarchen Tod: "Was ruft mich heim, wenn er den Weg gegangen ist, den alle gehen müssen? Ohne ihn, den besten König, welchen Beschützer hat Ayodhya nun? Wie kann ich seinen Geist befrieden? Wie den hochbeseelten Monarchen erfreuen, der um mich weinte und aufwärts stieg, wegen mir von schmerzender Liebe gequält? Oh glückliche Brüder! Ihr habt für seinen sich trennenden Schatten die rechten Opfer abgehalten. Selbst wenn meine Verbannung vorüber ist, gehe ich nicht mehr heim, um auf den verlassenen Staat zu schauen, untröstlich über den Verlust des Königs. Und wenn ich zurück nach Ayodhya käme, oh Feindebezwinger, wer würde mich dann führen wie einst, wenn unser Vater nun in anderen Welten weilt? Von wem, mein Bruder, höre ich dann die Worte, die sonst immer mein Ohr verzauberten und meine Brust mit Entzücken füllten, wenn ich etwas für ihn Lobenswertes tat?"

So sprach Rama, um dann näher an seine mondhelle Gemahlin zu treten. "Sita, der König ist gegangen.", sprach er, und "Und Lakshman, wisse, dein Herr ist tot, und wandelt nun mit den Göttern. Diese beklagenswerte Botschaft brachte uns Bharata." Und die edlen Jugendlichen ließen die Tränen wie Sturzbäche von ihren Augen strömen. Doch der Bruder beschwichtigte den Prinzen mit Worten des Trostes: "Opfere nun für den König, unseren Herrn, der die Erde beherrschte."

Als Sita das Schicksal des Monarchen vernommen hatte, da durchbohrten sie stechende Schmerzen. Auch konnte sie ihren Gemahl nicht anschauen, denn aus ihren Augen flossen viele Tränen. Rama streichelte sie mit sanfter Hand, und suchte die Verzweiflung der weinenden Dame zu lindern. Dann sprach er mit schmerzender Sorge zum klagenden Lakshmana: "Bruder, ich bitte dich, bring mir den ausgepreßten Saft des Ingudi und einen neuen, frischen Mantel, damit ich das nötige Opfer ausführen kann. Als erste soll Sita gehen, dann du und ich als letzter, denn so muß sich der Begräbniszug der Trauernden bewegen."

Sumantra mit dem edlen Geist, sanft und bescheiden, maßvoll und freundlich, der Begleiter eines jeden prinzlichen Jünglings, der immer an der Seite von Rama stand mit fester Treue, suchte nun auch mit Hilfe der königlichen Brüder das Leid von Rama zu mildern und zu lindern. Er lieh dem Herrn seinen Arm und führte ihn hinunter an das heilige Ufer des Flusses. Die Helden kamen an den lieblichen Strom, der mit blühenden Wäldern gekrönt war, und nahmen in bitterer Qual ihre Schritte zur schönen Böschung. An einer reinen, klaren und flachen Stelle versprühten sie die Begräbnistropfen und sprachen: "Vater, dies sei dir." Aber er, der Herr, der das Land regierte, füllte mit Wasser seine hohle Hand, wandte sich nach Süden, streckte den Arm aus und rief weinend: "Dieses heilige Wasser, rein und klar, gebe ich dir als beständiges Opfer, oh Herr der Könige, nimm es dort an, wo die Geister leben!" Als die feierliche Zeremonie vorüber war, kam Rama an den Strand und opferte mit Hilfe seiner Brüder dem Schatten seines Vaters frischen Tribut. Die von Feuchtigkeit befreiten Samen des Ingudi mischte er mit Jujubefrüchten und legte sie auf eine Stelle mit heiligem Gras. Weinend sprach er: "Erfreue dich dieses Kuchens, großer König, den wir, deine Kinder, essen und dir opfern. Denn niemals verweigern die gesegneten Götter, die Nahrung mit Sterblichen zu teilen."

Dann kehrte Rama auf demselben Wege zurück zur lieblichen Seite des Berges, wo sanfte Wiesen waren. Als er die Tür seiner Hütte erreicht hatte, zog er die Brüder an seine Brust, und es erscholl ein lautes Wehklagen von ihnen und der erschütterten Sita. Wie ein Löwengebrüll rollte das Echo ihrer Pein um den Berg. Und Bharatas Armee erzitterte vor Angst, als sie die weinenden Prinzen hörte. Die Soldaten riefen: "Bharata hat nun sicher seinen Bruder Rama getroffen und mit diesen Schreien, die um uns erklingen, klagen sie um ihren Vater, den König." Dann verließen alle ihre Wagen und Karren und rannten dem Klang entgegen, jeder auf dem Weg, den er finden konnte und alle mit nur einem eifrigen Gedanken im Geist. Einige nahmen ihren drängenden Weg mit Wagen, Elefanten und Pferden in Angriff, und junge Anführer rannten zu Fuß, um sehnlichst ihren Herrn wiederzusehen, als ob der junge Prinz für lange Jahre ungesehen im Exil gewesen wäre. Die Erde ward in hektischem Eifer von trampelnden Hufen und rumpelnden Wagen gequält, und ein ohrenbetäubender Lärm erhob sich, als ob der Himmel von vielen Wolken schwarz geworden wäre. Die wilden Elefantenherden rannten panisch davon und hinterließen fliehend nur ihren Duft. Jeder Waldbewohner fühlte die Angst: Hirsch, Löwe, Tiger, Eber und Reh, Bison, Wildkühe und Büffel. Als sie den wilden Tumult vernahmen, flohen alle Vögel mit zitternden Schwingen. Von den Bäumen, aus dem Dickicht und von den Teichen erhoben sich Schwan, Koil, Brachvogel, Kranich und Ente. Mit Menschen war der Boden bedeckt, der Himmel droben mit verstörten Vögeln. Dann fanden sie auf dem Opferplatz den sündenlosen, glorreichen Prinzen. Während alle die Bucklige und die Königin mit Flüchen schwer beluden, rannte die ganze Menge in zärtlicher Zuneigung zu ihm, dessen Wangen naß und dessen Augen trüb waren. Mit tränennassem, verschleiertem Blick schaute er auf die Menge, und schlang, wie es Vater und Mutter tun, die Arme um seine Lieben. Manche drängten sich mit Ehrfurcht an seine Füße, andere zog er in seine Arme, jeden Freund sprach er mit freundlichem Wort an, und ein jeglicher bekam seinen gerechten Anteil an Verehrung. Dann, von mächtigem Kummer überwältigt, füllte die Klage der weinenden Helden Hügel, Höhlen, Erde und Himmel, wie das Dröhnen von vielen Trommeln.


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