Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 98 - Lakshman besänftigt

Da beschwichtigte Rama edel den Zorn, der in Lakshmanas Busen wütete: "Was nützt es uns, das Schwert zu führen, den Bogen zu spannen oder den Schild zu erheben, wenn Bharata tapfer, weise und gut von selbst diese behüteten Wälder aufsucht? Ich schwor, meines Vaters Willen zu tun, und wenn ich jetzt meinen Bruder tötete, welchen Gewinn würde ich in einem Königreich finden, welches die Menschen verachten und meiden? Glaube mir, so wie ich vor vergiftetem Fleisch oder einem tödlichen Trank zurückschrecken würde, so möchte ich weder Macht noch Reichtum durch den Fall eines Freundes oder Verwandten gewinnen. Bruder, vertrau in die Worte, die ich spreche, denn für dein liebes Wohl allein suche ich Pflicht und Vergnügen, Reichtum und Gewinn: ein heiliges Leben und eine glückliche Regentschaft. Wenn mein Herz die königliche Herrschaft wünschte, dann nur, wenn meiner Brüder Wohl den Wunsch erweckte. Ihr Glück und ihre Sicherheit sind meine ganze Sorge, das schwöre ich bei diesem erhobenen Bogen:

Es wäre für mich nicht so schwer, dieses weite, von den großen Flüssen umgebene Land zu gewinnen. Doch selbst Indras königliche Macht soll niemals mein sein, wenn sie der Pflicht trotzt. Falls meine Seele irgendein Glück sehen kann - ohne den lieben Shatrughna, dich oder Bharata - dann mag die düstere, mit Asche bedeckte Flamme den eigennützigen Wunsch zerstören. Er ist mir viel teurer als mein Leben.

Um die Tradition unseres Geschlechtes wissend und mit einem zärtlich ergebenen Herzen kehrte Bharata nach Ayodhya zurück, um dort zu erfahren, daß ich mit dir und Sita gezwungen ward, mit verfilztem Haar und Einsiedlerkleid zu fliehen und durch die Wildnis zu wandern. Da bestürmte Trauer seine verstörten Sinne, und liebste Zuneigung erwärmte seine Brust. Frei von jedwedem bösen Gedanken kommt er nun, seinen Bruder hier zu treffen. Vielleicht sprach er einige bittere Worte, um Kaikeyis Zorn zu provozieren. Dann gewann er den König und kommt nun her, um das Königreich vor meine Füße zu legen. Ich denke, Bharata kommt, um mit guter Absicht zu mir zu sprechen. Nicht mal in den Tiefen seines Herzens hegt er einen bösen Gedanken gegen dich oder mich! Was tat er bis jetzt? Denk nach! Hat es ihm je an Liebe oder rechtem Respekt gefehlt, daß du an seiner Treue zweifeln und ihm solch eine teuflische Tat zutrauen könntest? Mit Bharatas Namen solltest du nicht solch rauhe Rede und leere Anschuldigung verbinden. Mein wohlwollender Busen fühlt wohl die Schläge, die deine Zunge gegen Bharata führt. Wie können Söhne, von welchem bösen Zwang auch bedrängt, das Blut ihrer Väter vergießen? Oder einen Bruder im gottlosen Streit erschlagen, der teurer als das eigene Leben ist?

Falls du deine grausamen Worte sprachst, weil du dir selbst die Regentschaft über das Reich so stark wünschst, dann werde ich Bharata bitten, dir das Königreich zu übergeben. 'Gib ihm das Reich,' werde ich sagen. Und Bharata wird mit mir übereinstimmen, denke ich."

So sprach der Prinz, dessen höchste Freude die Tugend war und das Recht zu beschützen. Schneidend fühlte Lakshmana den Tadel und sank vor Schande in sich selbst zusammen. Dann antwortete er mit gesenkten Augen und brennenden Wangen: "Bruder, ich glaube, um dein Angesicht zu schauen, hat unser Herr selbst diesen Ort aufgesucht." So sprach er und stand beschämt. Rama sah es und erklärte: "Ich denke auch, es ist der starkarmige Monarch. Er ist gekommen, um seine Söhne zu sehen. Und um uns beide zu bitten, den Wald für Freuden zu verlassen, von denen er meint, sie passen besser zu uns. Er denkt an all unsere Sorgen und Schmerzen und will uns nun nach Hause führen. Mein glorreicher Vater will Sita zurückbringen, die alle zärtliche Fürsorge verdient. Schon sehe ich zwei königliche Pferde so flink wie der Sturm, von edler Rasse und lieblicher Gestalt. Ich sehe den Elefanten von Bergesgröße, der den König, unseren weisen Vater trägt. Der alte Victor (Shatrunjaya) marschiert der ganzen bewaffneten Menge voran. Aber Zweifel und Furcht erheben sich in mir, denn wenn ich auch mit eifrigen Augen schaue, nirgends erblicke ich den weißen Schirm, der bekanntlich über das königliche Haupt gespannt ist. Nun Lakshmana, komm vom Baum herunter und hör auf meine Worte."

Dies sprach der fromme Prinz. Lakshmana kletterte vom hohen Baum herab, faltete ehrfürchtig die Hände und stand demütig an seines Bruders Seite. Die Armee lagerte sich auf Befehl des Bharata eine Meile vom Berg entfernt, um den Wald vor all den trampelnden Füßen zu bewahren. Unterhalb des steilen Berghanges glänzte die helle Armee fern und weit und verbreitete sich über das weitläufige Land, von Bharata geführt, der fest und treu die Pflicht in seinem Busen trug und allen Stolz beiseite geworfen hatte. Er kam, um sich seinem Bruder zu nähern und des Helden Gunst zu gewinnen.


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