Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 72 - Bharatas Fragen

Er trat ein, schaute sich um und fand nirgends seinen Vater. Dann ging er zur Wohnstatt seiner Mutter und eilte schnell, ihr Antlitz zu schauen. Sie erblickte ihren Sohn, der so lang fern von ihr weilte und nun nach vielen Tagen wiederkam, sprang vor Freude von ihrem goldenen Sitz auf und ihrem Lieblingssohn entgegen. Bharata, der das Recht liebte, schritt in das Gemach, das all seinen Glanz verloren hatte, beugte sich gehorsam und rührte der lieben Mutter zarte Füße. Sie drückte lange Küsse auf seine Stirn und hielt ihren Helden an ihre Brust gedrückt. Dann ließ sie ihn zärtlich neben sich sitzen und befragte ihn: "Wie viele Nächte sind vergangen, seit du das Heim deines Großvaters verließest? Von fliegenden Pferden schnellstens hergetragen, bist du nicht schwach und reisemüde? Wie geht es dem König, meinem Vater? Sprich, geht es Yudhajit, deinem Onkel, gut? Und erzähle mir ausführlich alles über deinen Aufenthalt dort, mein Sohn."

So sprach sie zum Nachkommen des Königs mit innigen Fragen. Der junge Bharata mit den Lotusaugen antwortete seiner Mutter: "Die siebte Nacht ist vorübergezogen, seit ich meinen Großvater verließ. Der Herr meiner Mutter ist wohlauf und auch er, Yudhajit, ist frei von Sorge. Das Gold und all die Kostbarkeiten vom königlichen Eroberer werden von den nachfolgenden Truppen gebracht. Von den Männern gedrängt, die mein Vater sandte, bin ich hastig hergereist. Nun, flehe ich dich an, geruhe mir, Antwort zu geben und mir alles, was ich zu wissen wünsche, zu erklären. Unbesetzt sehe ich dein mit Gold geschmücktes Lager. Jedes Gesicht vom Geschlecht der Ikshvakus ist dunkel und trüb. Der König, meine liebe Mutter, ist sonst so regelmäßig in seinen Besuchen bei dir. Um meinen Vater zu treffen, suchte ich diesen Ort auf. Wie kommt es, daß ich ihn nicht finde? Ich sehne mich danach, meines Vaters Füße zu berühren. Sag, wo er ist, ich gehe dorthin. Vielleicht ist der Monarch bei Königin Kausalya, der ältesten Königin."

Kaikeyi enthüllte nun ihrem Sohn das bisher vor ihm verborgene Schicksal seines Vaters. Als ob es frohe Botschaft wäre, erzählte sie die traurige Geschichte, denn die Lust an der Herrschaft hatte sie verrückt gemacht: "Wisse, dein Vater, oh mein Liebling, ist den Weg gegangen, den jedes Leben gehen muß: fromm und berühmt und von hohen Gedanken, worin die Guten ihre Zuflucht suchen."

Als der fromme, reine und treue Bharata die traurigen Worte vernahm, die ihn durch und durch schmerzten, da trauerte er um seinen Vater, den er so sehr liebte, und fiel gramgebeugt zu Boden. Der starkarmige Held fiel auf die Erde, warf seine Arme hoch in die Luft und stieß einen Schrei aus: "Oh weh mir, unglücklich und geschlagen!" Immer wieder brach es von seinen Lippen. Das Schicksal seines Vaters brachte ihm der Trauer unerträgliches Leid. Mit verwirrten Sinnen und verängstigt jammerte der strahlende Held laut: "Weh mir, meines königlichen Vaters goldenes Lager erschien einst in sanftem Glanz, wie der reine, wolkenlose Himmel vom strahlenden Mond erleuchtet wird. Weh, vom weisen Herren getrennt, flieht das schöne Leuchten heute, als ob der Mond den Himmel verlassen hat oder die Tiefen des mächtigen Ozeans ausgetrocknet sind."

Mit erstickten Schluchzern und vielen Tränen, bis ins Herz verletzt von tiefer Qual, schüttete der Beste der Eroberer seine Seufzer aus und verhüllte mit seiner Robe Gesicht und Augen. Kaikeyi sah ihn am Boden, göttergleich, verstört und verzweifelt, und versuchte auf jede Weise ihn aufzurichten: "Erhebe dich, erhebe dich, mein Liebster, warum liegst du berühmter Prinz so tief? Von Kummer wie diesem werden gute Männer wie du nicht so bewegt. Das sagen alle. Die Erde hat dein Vater edel beherrscht, und die Riten des Himmels beging er rechtens. Letztendlich war der Lauf seines Lebens beendet. Du solltest nicht um ihn klagen, mein Sohn."

Lang wälzte er sich am Boden von einer Seite auf die andere und weinte, noch immer untröstlich. Dann sprach er zu seiner Mutter in bitterem Elend: "Es war diese frohe Hoffnung, die ich im Busen spürte, als ich meinen Großvater verließ: Der König wird seinen ältesten Sohn inthronisieren und opfern, wie es erforderlich ist. Doch nun ist alles anders, meine Hoffnung war vergebens und mein trauerndes Herz ist entzwei gerissen. Denn ich vermisse meinen lieben Vater, der immer nach dem Glück seiner Lieben strebte. Aber Mutter, sag, welche Krankheit nahm meinen Vater mit sich, als ich abwesend war?

Oh, glücklicher Rama, glücklich all die, die seine Begräbnisriten durchführen durften! Der neue und glorreiche Monarch hat noch nicht erfahren, daß ich, sein Liebling, heimgekehrt bin. Sonst käme er schnell hierher und gäbe mir viele Küsse auf mein Haupt. Wo ist die Hand, deren sanfte Berührung, so weich und freundlich und so geliebt von mir, die Hand, die gern allen Staub wegwischte, der auf seinem Liebling lag? Schnell, trage die Nachricht zu Ramas Ohren, sag dem großen Herrscher, daß ich hier bin. Bruder und Vater, Freund und alles ist er mir, und ich bin sein treuer Diener. Denn edle, der Tugend treue Herzen sehen im älteren Bruder ihren Herrn. Ich möchte mich zu seinen Füßen beugen, denn er ist nun meine Hoffnung und meine Zuflucht.

Was sagte mein glorreicher Vater, der Tugend und Laster kannte, so mutig und wahrhaft und seinen Gelübden treu war, liebe Dame sprich, was sagte er, bevor er starb? Was war seine Rede an mich? Ich flehe darum, seine letzten Worte zu hören!" So gründlich vom Jüngling befragt, sprach Kaikeyi die beklagenswerte Wahrheit aus: "Der hochbeseelte Monarch weinte und klagte um Rama, Lakshmana und Sita. Dann ging der Beste unter allen, die Glückseligkeit erlangen, in die Welt ein, die nach dieser folgt. 'Oh gesegnet sind die Menschen, die Rama, Sita und Lakshmana mit dem mächtigen Arm ohne Schaden heimkehren sehen.' Dies waren die letzten Worte, die dein Vater fallen ließ, bevor er starb, von den schrecklichen Verwicklungen des Schicksal und des Todes verwundet, wie ein gefangener, großer Elefant."

Er hörte mit tieferer Verzweiflung, wie die Lippen seiner Mutter doppeltes Leid erklärten und fragte sie erneut mit trauriger Stirn, die seinen Schmerz zeigte: "Aber wo ist er, der Tugendhafte, der Kausalyas Herz mit Stolz erfüllt? Wo ist der edle Rama? Wo sind der mutige Lakshmana und die schöne Sita?" So gedrängt, begann die Königin die Geschichte zu erzählen, wie sie sich zugetragen hatte und ließ ihren Sohn die bitteren Neuigkeiten mit folgenden Worten wissen: "Der Prinz ist im Einsiedlerkleide zum Dandaka Wald in die mächtige Wildnis gegangen. Lakshmana und Sita teilen sein Schicksal und wandern im Exil mit ihm."

Da rührte sich Angst in Bharatas Seele, daß Rama sich im Rechten geirrt haben mochte, und besorgt um den Ruhm der Ahnen fragte er die Dame: "Hat Rama rechtlos eines Brahmanen Haus angegriffen, oder sein Land oder Gold? Hat Rama mit böser Absicht Arme oder unschuldige Reiche verletzt? War Rama seinen Eiden treulos und verliebte sich in eines anderen Gattin? Warum ward er in die Wildnis Dandakas gesandt, wie einer, der ein ungeborenes Kind tötet?" So fragte er, und sie erzählte ihm ihre Taten und den tückischen Plan, hinterlistig im Herzen, liebevoll und blind, wie die Natur der Frauen ist: "Rama hat keines Brahmanen Reichtum begehrt, noch hat eine Dame seine wandernde Phantasie erregt. Seinen Augen hat er niemals erlaubt, auf eines Nachbarn Gefährtin zu schauen. Aber als ich hörte, daß der Monarch plante, das Reich in Ramas Hand zu geben, da bat ich darum, daß Rama fortgehen möge und forderte den Thron für dich, mein Sohn. Der König hielt das mir einst gegebene Versprechen und tat, wie ich ihn bat. So wurden Rama mit seinem Bruder und Sita in die Verbannung geschickt. Als sein lieber Sohn nicht mehr zu sehen war, war der Herr der Erde schwer verwundet. Und zu schwach, gegen seinen Kummer anzukämpfen, ging er in die fünf Elemente ein.

Nun denn, du Pflichtgetreuer! Bewahre den königlichen Staat, erhebe dich und regiere! Für dich, mein lieber Sohn, für dich war all dies geplant und von mir gewirkt. Komm, verbanne deinen Schmerz und stärke dich mit männlicher Tapferkeit. Diese Stadt und das Land sind nun dein, und Trauer und Kummer sind hier unbekannt. Komm, und laß mit Vasishtas führender Hilfe und all den geübten Priestern die Begräbnisriten des Königs durchführen und alle Forderungen erfüllen. Verrichte seine Trauerfeierlichkeiten mit allem, was seinem Rang und Wert entspricht, und dann gib den Befehl, dich selbst als Herr der Erde einzusetzen."


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