Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 21 - Kausalya wird beruhigt

Als so Kausalya weinte und seufzte, da sprach der traurige Lakshmana folgende Worte zur rechten Zeit: "Oh verehrte Königin, ich mag es nicht leiden, daß, wegen des Willens einer Frau, Rama auf seinen königlichen Status verzichten soll und zum Exil verurteilt wird. Der gealterte König, allzu nachsichtig, verändert und schwach, wird so sprechen, wie ihn die Königin zwingt. Aber warum soll Rama in die Verbannung der wilden Wälder geschickt werden? Ich finde nicht das kleinste Vergehen an ihm, ich sehe keinen Fehler, der seinen Ruhm schwächen könnte. Ich kenne keinen einzigen in der ganzen Welt, keinen ausgestoßenen Wicht oder geheimen Feind, dessen wispernde Lippen es wagen würden, sein reines Leben mit verleumderischen Geschichten anzugreifen. Göttergleich und freigebig, gerecht und aufrichtig, ja sogar seinen größten Feinden lieb: Wer würde ohne Grund das Rechte unterlassen und solch einen Sohn verstoßen? Und wenn ein König diese Order gab, in zweiter Kindheit und ein Sklave der Leidenschaft, welcher Sohn würde den sinnlosen Befehl in sein Herz lassen und gehorchen? Komm Rama, bevor der Plan bekannt wird, halte zu mir und sichere den Thron. Steh wie der König jenseits der Regeln, stehe fest mit der Hilfe des Bogens deines Bruders! Wie kann dann die Kraft von minderen Männern deinem königlichen Zwecke widerstehen? Und wenn die Rebellen mit ihrem Schicksal spielen, dann werden meine Pfeile Ayodhya vereinsamen. Dann sollen ihre Straßen mit dem Blut derer gefärbt werden, die auf Seiten Bharatas stehen. Niemanden soll meine schlachtende Hand verschonen, denn sanfte Geduld verdient nur Verachtung. Wenn unseres Vaters Herz durch Kaikeyis Ratschlag so entfremdet wurde, dann soll keine Gnade unseren Arm zurückhalten, und der Feind soll erschlagen werden, ja erschlagen. Wenn der lang respektierte Vater nun nicht mehr Gut und Böse zu erkennen vermag, und sich verbotenen Pfaden zuwendet, dann sollte unsere Kraft seinen Schritten Einhalt gebieten. Welch ausreichende Macht kann er nur sehen, und welches Motiv erregte in ihm den Wunsch, Kaikeyi das Königreich zu überlassen, welches rechtens dein ist? Kann er, oh Bezwinger deiner Feinde, sich deiner Kraft und der meinen im Kampfe widersetzen? Kann er uns zum Trotze dem Bharata das königliche Recht in die Hand geben?

Ich liebe meinen Bruder Rama mit der ganzen Zuwendung meiner treuen Seele. Ja Königin, bei meinem Bogen und der Wahrheit, bei Opfer, Gabe und Gebet, schwöre ich; wenn Rama in den Wald geht oder wenn das brennende Feuer lodert, dann werden meine Füße als erstes den Waldboden betreten oder die Flammen mein Haupt umgeben. Meine Macht soll deine Trauer und deine Tränen vertreiben, wie die Dunkelheit flieht, wenn der Morgen naht. Sieh, liebe Königin und auch du Rama, was Kraft wie die meine vermag. Meinen alten Vater werde ich töten, diesen Sklaven von Kaikeyis Willen, so alt wie er ist, ist er doch ein Kind, der Knecht einer Frau, gebrechlich, gemein und von allen verachtet."

So rief Lakshmana mit mächtiger Seele, und Kausalya liefen die Tränen in Strömen über die trauernden Wangen, als sie zu ihrem Sohn sprach: "Nun, du hast deinen Bruder gehört, befolge seinen Rat, wenn er dir weise erscheint und agiere nach seinen Worten. Mit Tränen bitte ich dich, mein Sohn, gehorche nicht dem bösen Wort meiner Rivalin. Laß mich hier nicht zurück, von Kummer verzehrt, und geh nicht in den Wald, ins Exil. Wenn du, der Tugend immer zugetan, auch weiterhin dem Pfad der Pflicht folgen willst, dann bittet dich die höchste Pflicht zu bleiben und deiner Mutter Wort zu achten. So gewann sich Kasyapas großer asketischer Sohn einen Sitz unter den Unsterblichen: unterworfen blieb er in seinem eigenen Haus und ehrte seine Mutter. Wenn Ehre deinem Vater gebührt, dann fordert auch deine Mutter Achtung ein. Und so verlange ich von dir, mein Kind, daß du nicht den wilden Wald aufsuchen sollst. Was ist mir denn Leben oder Glück, wenn ich dazu verdammt bin, meinen Lieblingssohn zu vermissen? Denn mit meinem Rama an der Seite wäre es süß, selbst Gras zu essen. Aber wenn du immer noch gehen und mich, deine glücklose, trauernde Mutter hier zurücklassen willst, dann werde ich in dieser Stunde der Nahrung abschwören und das Leben ohne meinen Sohn nicht länger ertragen. Dann wird es dein Schicksal sein, in den Tiefen der weltverhaßten Hölle zu leben. So wie der Ozean vor langer Zeit sich eines gottlosen Verbrechens schuldig machte, und damit als der Herr jeder schönen Flut gezeichnet war wie einer, der das Blut eines Brahmanen vergossen hatte."

Die Königin weinte und seufzte, und der gerechte Rama antwortet ihr: "Ich habe nicht die Macht, die Befehle, die mein Vater ausspricht, zu beleidigen oder zu umgehen. Ich beuge mein Haupt tief, liebe Dame, vergib mir, denn ich muß in den Dschungel gehen.

Einst tötete Kaudu, ein mächtiger Heiliger, der im Wald lebte und die Forderungen der Pflicht gut kannte, auf Geheiß seines Vaters gehorsam eine Kuh. Und in dem Geschlecht, von dem wir stammen, gruben sich die Söhne des Sagar durch die Erde auf Befehl ihres Herrn, dem König, und töteten dabei viele Wesen. So gehorchte der Sohn des Jamadagni seinem Herrn, als er im Walde lebend die Hand an die Axt legte und seiner Mutter Renuka die Kehle durchschnitt. Diese und viele weitere Taten sollen meine Schritte leiten, du Ebenbürtige der Götter, und entschlossen werde ich das Gebot meines Vaters und seinen Willen erfüllen. Nicht ohne Billigung, oh Königin, betrete ich den rechten Pfad der Pflicht: Dieser Weg, den ich gehen werde, wurde bereits damals von den Großen Vorfahren begangen. Der hohe Befehl, den alle akzeptieren, soll treu von mir bewahrt werden, denn die Pflicht wird den niemals im Stich lassen, der fürchtet, sich seines Herrn Befehl zu widersetzen."

So sprach der Beste unter denen, die den Bogen spannen und mit Worten umgehen können, gewandt zu seiner gramgebeugten Mutter, um sich dann an Lakshmana zu wenden: "Ich weiß um deine Liebe zu mir, um deine unbeugsame und unübertroffene Hingabe. Ich kenne deine Tapferkeit, deinen Wert und deinen Ruhm, der den Feind erschreckt. Gesegneter Jüngling, das Leid meiner Mutter ist groß. Sie wird von einem unvergleichlichen Gewicht gebeugt, denn sie will mit geblendeten Augen die Forderungen der Wahrheit und der Geduld nicht erkennen. Die Pflicht steht an oberster Stelle, und die Wahrheit ist die edelste Grundlage für die Pflicht. Meines Vaters Befehl gehorchend diene ich der Pflicht am besten. Ein Mensch sollte aufrecht tun, was er Brahmanen, Vater und Mutter schwor. Er muß auf dem Pfade der Pflichterfüllung bleiben und kein Versprechen jemals unerfüllt lassen. Und wie, mein Bruder, kann ich dieser Forderung den Gehorsam verweigern? Kaikeyis Zunge hat mein Schicksal ausgesprochen, doch es war mein Vater, der ihr das Wort gab. Entledigt euch dieser unheiligen Gedanken, die nach Schlacht und dem Stolz des Kriegers riechen. Verbindet keinen Zorn mit der Erfüllung der Pflicht und folgt dem Pfad, dem ich mich anvertraue."

So tadelte Rama von zärtlicher Zuneigung bewegt seinen Bruder Lakshmana und sprach erneut zu Königin Kausalya mit gefalteten Händen und demütig geneigtem Kopf: "Ich muß in die Verbannung der wilden Wälder gehen, willige du ein. Oh gib mir, ich bitte dich bei meinem Leben, deinen Segen bevor ich fortgehe. Wenn die versprochenen Jahre vorüber sind, werde ich Ayodhya wiedersehen. Bis dahin, liebe Mutter, halte deine Tränen zurück und laß dein Herz vor Pein nicht gänzlich auslaugen. Meines Vaters Willen beachtend werde ich rechtzeitig aus dem Schatten der grünen Wälder zurückkehren. Meine liebe Videharin (Sita), du und ich, Lakshmana und Sumitra, fühlt die starken Bande und befolgt meines Vaters Wort, wie es die Pflicht seit alters her gebietet. Verzichte nun auf deine Vorbereitungen für meine Krönung, verschließe deinen Kummer in deiner Brust und widersetze dich nicht meinem frommen Wunsch, ins Exil in den Wald zu gehen."

Still und unbewegt erklärte der Prinz seine Pflichten und sein hohes Ziel. Die Mutter gewann ihre Sinne und das Leben zurück, blickte auf ihren Sohn und erwiderte: "Wenn Rechtschaffenheit deinem Vater gebührt, dann steht mir durch Recht und Liebe gleiches zu. Geh nicht, ich erneuere meine Forderung. Laß mich hier nicht vor Gram vergehen. Was wäre mir ein solch einsames Leben, wären mir Riten für die Schatten oder unsterbliches Los(1)? Viel lieber wäre mir, mein Sohn, eine Stunde mit dir als die ganze Welt ohne dich."

Als Rama seine Mutter so klagen hörte, brach es plötzlich aus ihm heraus, wie ein versteckter Elefant des Nachts, wenn die Flammen hoch auflodern. Sein Kummer brannte mit noch schrecklicherer Macht. Doch wieder sprach er zur halb bewußtlosen Mutter und zu Lakshmana, der vor Herzschmerz glühte, seine pflichtgetreue Rede mit standhaftem Willen und voller Tugend: "Bruder, ich kenne deinen liebenden Geist, deinen Mut und deine Wahrhaftigkeit. Aber jetzt vermehren du und meine Mutter meinen Kummer, denn ihr seid den Forderungen der Pflicht gegenüber blind. Die Früchte der menschlichen Taten offenbaren sich in Liebe, Gewinn und Pflicht. Es ist wunderbar, wenn sie sich vereinen, wie eine zärtliche Gattin mit ihrem süßen Baby an der Brust. Aber Männer sollten immer zuerst der Pflicht folgen, wenn die drei nicht vereint sind. Wir verschmähen die, die nur nach Gewinn trachten und alles dem Vergnügen opfern. Sollen denn die Tugendhaften, die Schuldner eines alternden Königs und Vaters, die Herrschaft des Vaters mißachten wegen fiebriger Lust, besinnungsloser Liebe oder grundlosem Zorn? Ich habe nicht die Macht, sein Versprechen und seinen Beschluß zu hintergehen. Er ist der verehrte Vater von uns beiden, meiner Mutter Herr und ihr Leben. Soll sie, solange der heilige König lebt, mit rechtem Vorsatz mit mir fortgehen in die Verbannung wie eine arme Witwe?

Nun Mutter, hilf deinem scheidenden Sohn und laß deinen Segen meine Pein besänftigen. Auf daß ich heimkehre nach dem Exil wie König Yayati. Für die Lust am Herrschen werde ich niemals den schönen Ruhm und seine Früchte beleidigen. Was gälte die Herrschaft auf Erden ohne Gerechtigkeit für die kurze Spanne, die ein Sterblicher hat?" So beruhigte er sie, und fest bis zum Schluß bestand er auf seinem Rat für seinen Bruder. Dann umrundete er die Königin und umarmte sie mit liebender Geste.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter

(1) Pitriloka und Devaloka = die Region der Ahnen und Götter