Pushpak Ramayana Buch 1Zurück WeiterNews

Canto 44 - Die Herabkunft der Ganga

Der Herr des Lebens war zum Himmel zurückgekehrt und der leidenschaftliche König verbrachte ein weiteres Jahr mit erhobenen Armen, jegliche Ruhe verweigernd und mit einer Zehe den Boden berührend, unbeweglich wie ein Pfahl, mit schlaflosem Auge, die Luft seine Nahrung und der Himmel sein Dach. Das Jahr ging vorüber. Dann sprach Umas Gemahl, der König der Schöpfung, der weltweit verehrte Shiva zum großen Bhagirath: 'Ich bin sehr zufrieden und werde deinen Wunsch erfüllen. Auf mein Haupt sollen sich die Wellen der Tochter des Bergkönigs stürzen.' Er stellte sich auf den stolzen Bergrücken, der den Herrn des Schnees krönt und bat den Fluß der Gesegneten, auf die Erde hinunterzusteigen. Das von allen angebetete Kind des Himalaya hörte den stolzen Antrag, und ihre hochmütige Brust füllte sich auf den Anruf hin mit heftigem Zorn. Mit schrecklicher Gewalt stürzte sie sich aus ihren himmlischen Kanälen in einem gigantischen Sturm von riesiger Größe auf Shivas heiliges Haupt. 'Er ruft mich', schrie sie in ihrer Wut, 'und all meine Fluten sollen ihn davonspülen und mit überwältigender Kraft in die tiefste Hölle wirbeln.'

Gelassen empfing Shiva die Wasser auf seinem Haupte und ließ sie wie im Dickicht der Himalaya- Wälder im Gewirr seiner Haare wandern. Beschämt fand sie durch seine Locken keinen Weg zur Erde, und obwohl sie lange verdrossen suchte, war sie verdammt dazu, bis ihr Stolz gezähmt sein würde. Viele lange Jahreszeiten hindurch bemühte sich der wilde Fluß. Bhagirath sah es und begann erneut mit seiner harten Askese. Da machte Shiva um des Einsiedlers Willen ein Ende mit ihren langen Wanderungen und ließ die erschöpften Wellen in Vindus See hinabgleiten. Einmal vom Gott freigelassen, entstanden aus der Ganga sieben edle Flüsse; Hladini, Pavani und sie, die Nalini genannt wird. Sie entrollten ihre klaren Wellen und suchten ihren Weg gen Süden. Suchakshu, die schöne Sita und die starke Flut von Sindhu sandten ihre frohen Wasser nach Westen aus. Und der siebte, der glänzendste und beste Strom floß dahin, wohin Bhagirath ihn führte. Auf Shivas Haupt hinabgekommen fanden die stürzenden Bäche eine erste Ruhe, doch dann barsten sie mit all ihrer Kraft hinunter und donnerten über die Erde. Der Strahl glänzte wie ein rosiger Morgen vor zahllosen funkelnden Schuppen, denn Fische und Delphine stürzten mit dem Strom hinab. Die himmlischen Barden, die göttliche Weisen sangen, und Nymphen von himmlischer Geburt umringten den Fluß, um ihn zu bestaunen auf seinem Weg vom Himmel zur Erde. Selbst die unvergleichlich strahlenden Götter kamen aus allen Sphären in ihren goldenen Wagen herbei, um den wunderbaren Anblick zu schauen. Der wolkenlose Himmel brannte wie im Licht von hunderten Sonnen, als die funkelnden Kutschen mit den Heiligen darin ihn erfüllten. Die Luft erflammte von Schlangen mit Hauben und Fischen jeglicher Tönung, ganz wie der Glanz des Blitzes durch Felder von sommerlichem Blau zuckt. Weiße Schaumwolken und silbrige Gischt bäumten sich hoch auf, wie Schwäne auf dem Heimweg durch den herbstlichen Himmel.

Danach floß der Fluß zahm und klar mit starker und tiefer Strömung, um sich weithin langsam auszuweiten zum kleinen See oder scheinbar gar nicht weiterzuströmen. Mal hielt sie ihren ruhigen Lauf über eine weite sandige Ebene bei, mal erhoben sich ihre Wellen, um gleich darauf wieder zu sinken, von rückfließenden Wellen abgestoßen. Erst fiel sie auf Shivas Haupt, dann eilte sie in ihr irdisches Bett. Unaufhörlich strömten ihre Wasser und glänzten rein mit heiligem Schimmer. Da drängten sich alle Geister, Weisen und Barden, die eine schwere Strafe auf die Erde verbannt hatte, begierig um die Flut, die durch Shivas Berührung geheiligt ward. Und jene, die ein himmlisches Schicksal verflucht und in diese niedere Welt hinabgeschleudert hatte, berührten die reine Welle und gewannen sich, befreit von Sünde, die Himmel zurück, um sich wieder zu erheben. So ward alle Welt glücklich, wo immer die glorreichen Wasser flossen und glänzten, denn Sünde und Befleckung wurden durch die süße Wirkung des Flusses vertrieben.

An der Spitze fuhr der glorreiche Bhagirath, der königliche Heilige mit dem unsterblichen Namen, in einem Wagen von himmlischer Gestaltung, und ihm nach floß die schöne Ganga. Götter, Weise, Barden, der Oberste der Geister und Nagas, Nymphen, Riesen und Unholde folgten in langer Reihe dem Pfad, den Bhagirath vorgab. Auch all die Wesen der Fluten schwammen im Strom, der ihm nachfolgte. Wo auch immer Bhagirath seine Schritte hinlenkte, dort floß auch die ewig strahlende Ganga, diese Beste der Fluten, die Königin der Flüsse, deren Wasser die Sünder reinwaschen.

Zufällig stand dort der Asket Jahnu, groß und gut, völlig versunken in seine heiligen Opfer. Der Fluß ließ seine Wellen verströmen und flutete seinen Opferplatz. Der Asket bemerkte zornig Gangas Stolz und mit einem Zug trocknete er den Strom vollständig aus. Da beschworen ihn die Götter, Barden und Weisen voller Angst und baten den edlen, hochbeseelten Jahnu, den heiligen Strom als sein eigenes, liebes Kind anzusehen. Von ihrem Flehen bewegt, besänftigte er ihre Furcht und entließ ihre Wasser aus seinen Ohren. Seitdem wird die Ganga in aller Welt auch Jahnavi oder Jahnus Kind genannt. Weiter nahm sie ihren Weg, um endlich das große Meeresufer zu erreichen. Dort floß sie weit in die Tiefe, um die Riten zu beenden, die schon so lange aufgeschoben waren. Der Monarch erreichte den Ozean und hinterdrein floß die Ganga. Er suchte die Tiefen, die offen lagen, und wo einst Sagars Söhne sich ihren Weg gegraben hatten. Und so führte er des Flusses reinigende Wellen durch die unteren Bereiche der Erde. Über die Asche seiner Ahnen goß er die Begräbnisopfergabe. Sobald die Flut deren Asche benetzt hatte, gewann ihr Geist die Seligkeit, und in himmlische Körper gekleidet stiegen sie zur ewigen Ruhe hinauf in den Himmel.

Da sprach Brahma, an der Spitze seines strahlenden Göttergefolges sich nahend und im Anblick der gereinigten Seelen, zum König Bhagirath: 'Gut gemacht, großer Prinz der Menschen, wohl getan! Deine Ahnen haben sich Glückseligkeit und den Himmel gewonnen. Die Söhne des Sagar sind nun vereint mit den Gesegneten und als Göttliche aufgenommen. Solang des Ozeans Wellen an die Grenzen dieses Landes fluten, solang sollen die Söhne des Sagar hier verweilen und göttergleich ihren Rang im Himmel bewahren. Die Ganga soll dein ältestes Kind sein. Sie soll nach dir Bhagirathi, und auch nach dem Fall ihrer Wasser vom Himmel zur Erde und durch die Hölle, Tripathaga, Strom des Himmels, genannt werden, weil sie drei Pfade segnet.

Nun, mächtiger König, ist es dir gegeben, dich zu befreien und deine Gelübde auszuführen. Versage dir nicht länger, glücklicher Prinz, Trankopfer für deine Verwandten darzubringen. Dafür hat der heilige Sagar lang geseufzt, doch sein betrauerter Wunsch ward ihm verweigert. Dann versuchte sich Ansuman daran. Keinen glänzenderen Namen gab es auf der Welt, doch auch sein Streben, die himmlische Flut zur Erde zu bewegen, war umsonst. Selbst die Anstrengungen deines Vaters Dilipa, der mit aller Tugend und strengster Askese gesegnet war, konnten sie nicht dazu bringen, obwohl er mit zutiefst bewegenden Gebeten seinen Wunsch zu erfüllen suchte. Aber du, oh König, errangest den Erfolg und gewannst dir hohen Ruhm, den Gott segnen wird. Durch dich, du Bezwinger deiner Feinde, fließt die himmlische Ganga auf Erden, und du hast dir den göttlichen Lohn erworben, der auf solche Tugend, wie die deine, wartet. Tauche nun selbst in die heiligen Wasser ein, oh Bester aller Helden, so sollst du, von allen Sünden befreit die gesegneten Früchte des Verdienstes erhalten. Und opfere reichlich für deine Ahnen, die vor langer Zeit starben. Ich kehre nun zum Himmel zurück, reise auch du bald ab, und Glückseligkeit wird deine Schritte begleiten.'

So sprach Gott Brahma zum starken König, der die Macht all seiner Feinde gebrochen hatte, und mit den ihn umringenden Göttern erhob er sich und kehrte zu seinem Himmel der gesegneten Gelassenheit zurück. Der königliche Asket zögerte nicht länger, hielt alle Opfer rechtens ab und eilte zurück zur Hauptstadt. Durch die Wasser gereinigt regierte er seinen angestammten Staat höchst glücklich, dieser Beste der Menschen. Und alles Volk erfreute sich an der milden Regentschaft des guten Bhagirath. Reich, blühend und gesegnet war das Reich, Kummer und Krankheiten flohen davon.

Nun, Rama, habe ich dir ausführlich erzählt, wie die Ganga damals vom Himmel herabkam. Der Abend ist schnell vergangen, und ich wünsche dir jede vielversprechende Gabe. Die ausgezeichnete Geschichte von der Herabkunft der Flut gibt einem jeden, der sie hört, Wohlstand, Reinheit, Ruhm und langes Leben und erhebt ihre Hörer zum Himmel."



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