Pushpak Ramayana Buch 1Zurück WeiterNews

Canto 14 - Die Verurteilung des Ravana

Der im heiligen Recht bewanderte Heilige sann noch eine Weile über seine Antwort nach und richtete sich dann erneut an den König, seine wandernden Gedanken sammelnd: "Ich werde noch einen anderen Ritus beginnen, um dir die Söhne zu gewinnen, nach denen du dich sehnst. Alles Nötige soll ordentlich befördert und zuerst der Atharva Text gelesen werden."

Und so begann Vibhandaks liebenswürdiger Sohn das hohe Opfer, weil er des Königs Vorteil suchte und eifrig dessen Wünsche erfüllen wollte. Alle Götter waren da versammelt um ihres Anteils willen: Brahma, der Herrscher des Himmels, Shtanu, Narayana, der höchste Herr, und der heilige Indra, den die Menschen vielleicht mit den Maruts im Gefolge zu erblicken vermögen, der himmlische Chor, die Heiligen und der Geist, der rein von irdischer Befleckung ist. Einstimmig hatten sich alle versammelt, um das Opfer des hochbeseelten Monarchen zu ehren. Zu den Göttern, die gekommen waren, sprach der Einsiedler: "Für euch hat Dasaratha das geweihte Pferd geopfert, um einen Sohn zu gewinnen. Strenge Buße hat er geübt, und er vertraut euch fest und ganz. Nun will er gern mit unverminderter Sorgfalt ein zweites Opfer vorbereiten. Gebt ihr, oh Götter, eure Zustimmung zum Wunsche eures Bittstellers. Für ihn erhebe ich meine flehenden Hände und bitte euch, ihm vier gerechte und ruhmvolle Söhne zu gewähren, um die Opfer des Königs zu krönen."

Die Götter antworteten dem Sohn des Einsiedlers: "Sein Wunsch soll erfüllt werden, höchster Brahmane. Denn wir lieben den König und verehren dich."

So sprachen die Götter und verschwanden von hier, um mit Indra an der Spitze zu Brahma zu eilen, dem Herrn, der die Welten erschuf. Dort beteten die Unsterblichen zu ihm: "Oh Brahma, wir werden vom unsinnig stolzen Ravana schwer geplagt, diesem Herrscher der Giganten, der durch deine Gunst mächtig ward. Auch die bußeübenden Weisen leiden unter ihm. Vor langer Zeit stellte er dich zufrieden, und du gewährtest ihm den Segen, der ihn nun übermütig macht; nämlich daß kein Gott oder Dämon ihn je töten könne. Dies war dein Wille. Wir ehren deinen hohen Beschluß und ertragen all seine Wut, obwohl wir schwere Not leiden. Dieser Herr der Giganten geißelt in seinem streitbaren Grimm die Erde, den Himmel und die Hölle. Von deiner Gunst ganz außer sich, erschlägt seine unbändige Wut Heilige, himmlische Sänger, Götter und Weise. Selbst die Sonne hält ihren Glanz zurück, die Winde fürchten sich zu wehen, und das Feuer zügelt seine gewohnte Hitze, wo immer Ravanas schreckliche Fußspuren zu finden sind. Die mit wogenden Wellen geschmückte See hört vor ihm ängstlich auf zu tosen. Selbst Kuvera wurde nach trauriger Niederlage von seinem glückseligen Thron vertrieben. Wir sehen und wir fühlen des Giganten Macht. Und über uns kommen Leid und Furcht. Wir, deine Bittsteller, flehen dich an, oh Herr, finde eine Heilung, diese Plage zu enden."

So von den versammelten Göttern angesprochen, ruhte Brahma eine Weile stumm und nachdenklich. Dann sprach er: "Nur einen Weg kenne ich, um diesen Feind mit dem üblen Sinn zu schlagen. Einst bat er mich, sein Leben vor Dämonen, Göttern, himmlischen Sängern und Geistern der Erde und Luft zu schützen, und zustimmend erhörte ich sein Gebet. Doch der stolze Recke dachte aus Verachtung nicht an Männer, die von Frauen geboren werden. Niemand sonst kann ihm sein Leben nehmen, nur ein Mensch mag den Riesen schlagen." Die Götter mit Indra an der Spitze jubelten, als sie seine Worte vernahmen. Da gesellte sich Gott Vishnu zur Versammlung, mit Herrlichkeit wie von einer Flamme gekrönt. Er trug seine Muschel, die Keule und den Diskus, und seine Gewänder waren safrangelb. Er ritt auf seinem Adler durch die Menge wie die Sonne auf einer Wolke dahingleitet, angetan mit feinen goldenen Armreifen und laut willkommen geheißen durch der Götter hohen Beifall. Sie sangen gemeinsam sein Lob und riefen, während sie sich tief verbeugten: "Oh Herr, dessen Hand den grausamen Madhu schlug, sei unsere Zuflucht, standhaft und wahrhaft, du Freund der leidenden Welten. Wir bitten dich um deine Hilfe." Und Vishnu sprach: "Erklärt euch, ihr Götter, welche Bitte soll ich euch erfüllen?"

Sie riefen: "König Dasaratha glühte viele Tage in Buße und opferte das heilige Roß für Söhne, aber noch vergebens. Auf unseren verzweifelten Ruf hin, inkarniere dich in seiner Nachkommenschaft. Er hat drei Gattinnen, jede liebliche Dame steht für Schönheit, Bescheidenheit und guten Ruf. Teile dich in vier und übergib dich den drei Damen. Nimm die Natur des Menschen an und schlage in der Schlacht Ravana, welcher über die himmlischen Mächte lacht; diese alles umfassende Geißel, diesen nagenden Dorn, den die drei Welten zu lange schon ertragen mußten. Denn Ravana besiegte schon in seinem unermeßlichen Stolz und seiner unvergleichlichen Kraft die himmlischen Heerscharen und plagt mit Leiden die Engel, Barden und Weisen dort unten. Er zerstört jeden hohen Geist und jede Maid, die in Nandans himmlischem Schatten spielen (Indras Garten). Oh siegreicher Gott, wir verbeugen uns vor dir. Du bist unsere sicherste Hoffnung und unser Vertrauen. Beehre die Welt der Menschen dort unten und erschlage den gewaltigen Feind der Götter."

Als die Götter ihn so demütig baten, da erwiderte der weise Narayana (Vishnu): "Welche Aufgabe erfordert meine Anwesenheit dort und woher kommt diese Furcht? Erklärt euch, ihr Götter!" Jene erwiderten: "Wir fürchten den schrecklichen Ravana, oh Herr, den verabscheuungswürdigen und allesverschlingenden Dämonen. Dein soll die glorreiche Aufgabe sein, in menschlicher Gestalt den Unhold zu töten. Nur du allein unter all den Gesegneten kannst den Sünder besiegen. Er gewann durch lange und schreckliche Buße die Gunst des mächtigen Brahma. Und er, der jede Gabe gewährt, beschützte den Unhold vor himmlischen Feinden und gab das Versprechen, daß sein Leben sicher wäre vor allen lebenden Wesen, außer den Menschen. Kein anderes Wesen außer einem Menschen kann an ihm den tödlichen Schlag ausführen. Darum, oh König, bitten wir dich, nimm eine sterbliche Geburt auf dich und zerstöre den Dämon bis zur Wurzel."

Alsdann sprach Vishnu, der Gott der Götter, der höchste Herr, von allen Welten verehrt, zu Brahma und den anderen Bittstellern: "Laßt eure Ängste fahren. Für euch, meine Lieben, will ich ihn im Kampf erschlagen, den grausamen Bösewicht, die Geißel der Unsterblichen, und alle seine Gefährten und Minister samt Söhnen sollen mit ihm fallen. Dann werde ich in der Welt der Sterblichen noch zehntausend und einhundert und zehn Jahre als menschlicher König regieren und die Erde als mein Reich beschützen."

Die Schar der Götter, Heiligen, Nymphen und Sänger erhob daraufhin die himmlische Stimme, um in triumphalen Hymnen den Gott zu besingen, dessen siegreiche Füße den Madhu zertraten:

"Meister der Götter, als Mensch erscheine,
erschlage den grausamen Ravana,
den Dorn, den Weise und Eremiten fürchten,
die Plage, die niemand ertragen kann.
In schonungsloser Wut wachsen sein Zorn
und Stolz nur immer fort.
Er wagt es, als seinen tödlichen Feind,
den Gott der Götter zu sehen."



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